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Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Galgenfrist für einen Mörder: Roman

Titel: Galgenfrist für einen Mörder: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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äußerst betreten dreinblickte.
    »Ich glaube, dass John Cordwainer ein hochanständiger Mann und genau der Richtige für Stella ist«, sagte Mrs. Myers offen. »Ich wünschte nur, sie würde aufhören, die ganze Zeit an mich zu denken, und einfach Ja sagen. Sie ist wirklich alt genug, um sich nicht darum zu kümmern, was ich davon halte. Sie schuldet mir nicht mehr, als das Beste aus ihrem Leben zu machen.«
    Hester fiel ein Stein vom Herzen. Und dann ertappte sie sich dabei, wie sie vor Erleichterung lächelte. »Wirklich?«, fragte sie in gespielter Unschuld, als hätte sie nicht die geringste Ahnung, wovon die andere redete.
    »Ihr Lächeln hat Sie verraten«, bemerkte Mrs. Myers trocken. »Ich bin froh, dass Sie Ihr Wort gehalten haben. Andererseits – wenn Sie das nicht getan hätten, würde es mir leichtfallen, meine Tochter auf das Thema anzusprechen.Wie, um alles auf der Welt, kann ich nur mit ihr reden, ohne sie wissen zu lassen, dass ich längst hinter ihr Geheimnis gekommen bin?«
    Hester bedankte sich noch einmal für ihre Hilfe und ging mit einem noch breiteren Lächeln neben Scuff die Treppe hinunter.
     
    Natürlich war es nicht einfach, Einlass ins Holloway-Gefängnis, geschweige denn eine Besuchserlaubnis bei einer Insassin zu erhalten. Hesters erster Impuls war es, Monk beim Abendessen zu bitten, ihr beides zu verschaffen, doch dann verbiss sie sich die Worte und wandte sich einem anderen Thema zu. Zweck all ihrer Bemühungen war es schließlich, Monk zu schützen.
    So erkundigte sie sich nach seinen Vorhaben für den nächsten Tag. Und als sie wusste, wann er nicht auf der Wache von Wapping sein würde, entschied sie sich, genau diesen Zeitpunkt zu nutzen, um dorthin zu gehen und zu versuchen, dass sie mit Orme sprechen konnte. Ihm würde sie ihr ganzes Vorhaben im Detail erklären, und er würde verstehen.
    Tatsächlich zeigte sich Orme am nächsten Tag sofort bereit, sie zum Gefängnis zu begleiten und die Genehmigung zu besorgen. Auf den ersten Blick mochte das reine Freundlichkeit sein, doch Hester spürte bei ihm eine drängende Neugier. Vielleicht hatte er selbst den Wunsch, die Schwester desjenigen Mannes kennenzulernen, den er einen großen Teil seines Berufslebens lang gekannt, geschätzt und verehrt hatte.
    Es war letzterer Umstand, der Hester beunruhigte. Nur wusste sie nicht, wie sie ihm beibringen sollte, dass sie Mary lieber allein sprechen würde, weil sie in seiner Gegenwart womöglich befangen und weniger offen reagierte. Darüber hinaus beschlich sie die tiefe Sorge, dass eine solche Begegnung Orme emotional sehr belasten würde. Sie hatte seinen Gesichtsausdruck gesehen, als hässliche Fakten über Durban aufgedeckt wurden und seine Anständigkeit, seine Moral und sogar seine Freundlichkeit ins Zwielicht getaucht hatten. Orme hatte verzweifelt versucht, das zu verbergen, es mit seiner Treue zu verdecken, doch es war da und breitete sich langsam aus wie ein Krebsgeschwür.
    Hester wandte sich in dem düsteren Flur des Gebäudes zu ihm um.
    »Vielen Dank, Mr. Orme. Ohne Sie hätte ich das nicht erreicht, aber jetzt muss ich, wenigstens am Anfang, allein mit ihr sprechen.«
    Er setzte zu erregtem Widerspruch an. Seine Emotionen waren einfach zu heftig, um sich von dem Respekt zügeln zu lassen, der sein Verhalten bestimmte, nicht nur ihr gegenüber als der Gattin seines Kommandanten, sondern gegenüber allen Frauen.
    Sie ließ ihn gar nicht erst zu Wort kommen. »Sie kannten Mr. Durban viele Jahre lang. Weit besser, als ihr das je vergönnt war. Stellen Sie sich nur einmal vor, wie sie sich fühlen wird. Unter Umständen sorgt sie sich zu sehr um Ihre Meinung über sie, um wirklich offen zu sein. Wir brauchen aber die volle Wahrheit.« Sie sprach mit fester Stimme, wobei sie besondere Betonung auf das letzte Wort legte und ihm offen in die Augen sah. »Wenn wir diese Chance nicht nutzen, wird es keine andere mehr geben. Bitte lassen Sie mich bei unserer ersten Begegnung mit ihr allein sprechen.«
    Er bedachte sie mit einem lustigen schiefen kleinen Lächeln. »Beschützen Sie dabei auch mich, Ma’am?«
    Sie fühlte sich auf frischer Tat ertappt, zumindest was ihren zweiten Hintergedanken betraf. Würde es ihn freuen oder verletzen? Sie hatte nicht den Hauch einer Ahnung. Aber wenigstens hatte die Wahrheit den Vorteil, dass sie ihr Gewissen beruhigte. »Es tut mir leid«, gestand sie. »Wahrscheinlich ging es mir tatsächlich auch darum.«
    Ein kurzes Blinzeln war die Antwort. In

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