Galgenfrist fuer einen Toten - Der 1 DOUGLAS BRODIE Thriller
Geschichte?« Er leckte sich ungeduldig über die Lippen.
Ich speicherte die Verbindung zwischen dem alten Campbell und den Slatterys im Hinterkopf ab und erzählte McAllister, wie hinterhältig die Polizei Hugh Donovan hereingelegt hatte. Er machte sich mit offenbar selbst erfundener Kurzschrift Notizen und unterbrach mich nur gelegentlich mit Fragen wie: »Also hat die junge Campbell Donovan verteidigt? Die Tochter des Staatsanwalts? Das Rad hat sich weitergedreht, wie?« Oder: »Wenn’s Donovan nicht war, wer dann? Wollen Sie etwa die Slatterys dafür verantwortlich machen? Haben Sie denn irgendwelche Beweise dafür?«
Ich beschloss, das Wenige, das ich wusste, vorerst für mich zu behalten. Zeichnete das Bild eines Polizisten, der von Reue übermannt worden war, nachdem seine Kollegen Donovans Geständnis zusammengeschustert und ihn damit an den Galgen gebracht hatten. Ich erzählte McAllister nichts von der Verbindung zum Mord an Pater Cassidy oder dem an Mrs. Reid, erst recht nichts von den vier toten Reid-Kindern. Diese Geschichte würde in den nächsten Tagen ohnehin Schlagzeilen machen – sobald Silver und sein Trupp ihre Stellungnahmen dazu ausgetüftelt hatten. Nach meiner Planung sollte jeden Tag nur ein einzelner Hauptartikel zu der komplexen Geschichte erscheinen, alles andere würde die Leser nur verwirren. Außerdem wollte ich den Slatterys zwar Feuer unterm Hintern machen, sie aber nicht so in Panik versetzen, dass sie womöglich Amok liefen oder kurzerhand abtauchten.
»Wir haben noch keine stichhaltigen Beweise gegen die Slatterys in der Hand«, schloss ich meinen Bericht. »Also würde ich an Ihrer Stelle jede Spekulation in diese Richtung vermeiden. Mit dem, was ich Ihnen erzählt habe, müssten Sie eigentlich genügend Material für einen guten Artikel besitzen, oder?«
»Klar, kommt auf die erste Seite, als Aufmacher. Noch ein Bier?« Gierig beäugte er sein leeres Glas. »Geht auf meine Spesen.«
35
Als die Abendausgabe der Gazette die Geschichte brachte, stand Hauptkommissar George Muncie der Presse bereits Rede und Antwort und verkündete, das gesamte in den Fall Donovan involvierte Team sei bis auf Weiteres suspendiert. Sam und ich saßen uns in ihrer Küche gegenüber. Sie deutete auf die reißerischen Schlagzeilen.
»Du trittst wohl liebend gern in Hornissennester, stimmt’s, Brodie?«
»Nein, ich räuchere sie viel lieber aus.«
»Auf so vorsichtige Weise wie die hier? KORRUPTE POLIZEI LÄSST UNSCHULDIGEN HÄNGEN!«
»Das beweist nur, dass die Verteidigerin Samantha Campbell richtig gelegen hat.«
»Leider zu spät. Ich hätte Muncie vor Gericht mehr Druck machen müssen, was die widersprüchlichen Protokolle der beiden Polizisten anging.«
»Dann wäre das belastende Notizbuch praktischerweise verloren gegangen, Sam. Ich wundere mich sowieso, dass White es behalten hat.«
»Vielleicht als Lebensversicherung?«
»Hältst du ihn für so schlau?«
»Dann also aus Gewissensgründen?«
»Wohl eher aus alter Gewohnheit. Auf der Polizeihochschule wird einem nämlich eingetrichtert: Entweder protokollieren oder vergessen. «
Wir schwiegen eine Weile.
»Also gut, das wäre erledigt«, sagte Sam schließlich. »Und was jetzt?«
»Jetzt warten wir erst mal ab und ziehen die Köpfe ein. In den nächsten Tagen wird’s heiß hergehen. Triffst du dich morgen mit einem deiner Kollegen von der Justiz?«
»Ja, mit Richter Thompson. Zum Abendessen. Ein alter Lustmolch, aber er plaudert gern und viel. Soll ich oder soll ich nicht?«
»Jetzt erst recht. Du musst unbedingt herausfinden, wer dich als Strafverteidigerin für den Fall Donovan vorgeschlagen hat. Frag den Richter am besten auch nach der Zeit, in der dein Vater Staatsanwalt war.«
»Was hat denn mein Vater mit dieser Angelegenheit zu tun?«
»Offenbar hat er den Slatterys ständig im Nacken gesessen. Es wäre wichtig, dass du möglichst viel über all diese Gerichtsverfahren in Erfahrung bringst, die er damals gegen sie angestrengt hat. Und auch, wieso sich die Brüder jedes Mal herauswinden konnten.«
Sie blickte mich forschend an, erhob jedoch keine Einwände. Umso besser. Ich wusste ja selbst nicht genau, nach was ich suchte. Es war, als wühlte man blind im Schlamm herum, um zu sehen, was an die Oberfläche kam.
Was am folgenden Abend als Erstes auftauchte, war ein Chamäleon, sprich: eine verwandelte Sam. Sie kehrte erst gegen 23 Uhr nach Hause zurück, ziemlich betrunken vom Rotwein (oder auch von den
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