Galgenfrist fuer einen Toten - Der 1 DOUGLAS BRODIE Thriller
ziemlich freudlose Heimkehr. Ich trug Zivilklamotten, den Kilt der Armee hatte ich im vergangenen Jahr zusammen mit dem Major-Rangabzeichen zurückgegeben. Es wäre schön gewesen, hätte ich, ehe man mich bei der Entlassung aus der Armee zum Stabshauptmann degradierte, die High Street ein letztes Mal in der Ausgehuniform eines Majors entlangschlendern können. Meine Ordensbänder mit den sechszackigen Sternen wiesen mich als Teilnehmer der Feldschlachten in Afrika, Italien, Frankreich und Deutschland aus.
Ich wäre mir bei meinem zivilen Parademarsch vermutlich so ähnlich vorgekommen wie früher als Sieger der Buchstabier-, Schreib- und Rechenwettbewerbe an der Grundschule. Lässig hätte ich im Wheatsheaf vorbeigeschaut, meinen alten Kumpels eine Runde oder auch zwei ausgegeben und mich von ihnen freundschaftlich provozieren lassen (»Hoffe, der Kerl war wenigstens schon tot, Brodie, als du ihm die Uniform geklaut hast.« oder: »Hätte nich gedacht, dass beim Verpflegungstrupp auch Medaillen verteilt werden.«). Doch in den Augen meiner Kumpels wäre auch ein Anflug von Neid oder gar Bewunderung zu erkennen gewesen. Nur wären sie lieber gestorben, als das offen einzugestehen.
Es würde nicht die gleiche Wirkung entfalten, wenn ich als Zivilist hereinschneite und ihnen erklärte, wie sich ein freier Journalist finanziell mühsam über Wasser hält. Sie würden mich als »Zeitungsfritze« bezeichnen oder fragen, wieso ich mir keine »richtige Arbeit« besorgte. Und mich noch mehr aufziehen, wenn ich ihnen verriete, dass ich mich auf Artikel über Straftaten spezialisiert hatte. Keine Chance, sie davon zu überzeugen, dass dafür mehr Qualitäten erforderlich waren, als sich im Londoner Strafgerichtshof Old Bailey den Hintern wundzusitzen oder reißerische Geschichten zu Papier zu bringen, in denen fremdgehende Ehepartner in flagrante delicto ertappt wurden.
Bei diesem Ausdruck musste ich jedes Mal unwillkürlich grinsen, denn wörtlich übersetzt bedeutete er ja »bei einem glühend heißen Verbrechen«, und das beschwor die Vorstellung von wilder Leidenschaft und quietschenden Bettfedern in mir herauf. Die Wahrheit war meist weitaus profaner. In der Regel handelte es sich um ein vorbereitetes Arrangement in einem einschlägigen Hotel, das lediglich dazu diente, eine Scheidung durchzudrücken. Man ertappte das angebliche Liebespaar, das nur in Unterwäsche auf den Fotografen wartete. Sobald er auf der Bildfläche erschien, schmuste man ein bisschen auf dem Bett herum und versuchte so verliebt zu wirken, wie es zwei Fremde vor den Augen eines grinsenden Zuschauers eben hinbekommen.
Außerdem hatte der Granatsplitter, den ich mir 1943 auf Sizilien einfing, als wir Rommel bis zur nordafrikanischen Küste vor uns hertrieben, eine Gehbehinderung hinterlassen. Die Beinverletzung bescherte mir seinerzeit zwei angenehme Monate in einer Klinik in Alexandria und danach einen Freiflug zur Offiziersausbildung in der Heimat. Während des harten körperlichen Trainings machte sich das Hinken nicht bemerkbar, doch seit meiner Rückkehr nach London im letzten Herbst hatte ich die Dinge schleifen lassen. Wenn ich mich nicht gerade fürchterlich über den bürokratischen Aufwand aufregte, der nötig war, um mein Abfindungsgeld von der Armee als Beitrag zu meinem Lebensunterhalt durchzusetzen, oder mit einer hübschen Frau rummachte, versank ich ständig in Selbstmitleid und Depressionen.
Hin und wieder lernte ich in irgendeinem Pub ein Mädchen kennen, mit dem ich mich auf Anhieb gut verstand, bis sich mein krankhafter Identitätsverlust wieder bemerkbar machte und alles verdarb. Mein Quacksalber in London meinte, ich müsse mich zusammenreißen, und verschrieb mir ein Tonikum gegen Eisenmangel. Er sagte, mein Zustand sei völlig normal und London voll von Männern, denen es genauso gehe wie mir. Zumindest erklärte das die Schlägereien, in die ich gelegentlich in meinen Stammkneipen verwickelt wurde.
Ich führte die Anfälle auf die zusätzlichen vier Monate zurück, die ich nach Kriegsende im Mai 1945 bei der Armee abgeleistet hatte. Ich war selbst daran schuld: Kaum stellte ich meine bis dahin kaum genutzten Deutschkenntnisse bei der Kapitulation der 15. Panzerbrigade unter Beweis, da wurde ich auch schon zum Aufklärungstrupp abkommandiert, der dafür zuständig war, Lagerkommandanten der Nazis und andere SS-Fanatiker zu verhören. Während sich mein Regiment nach Hause einschiffte, um dort, wie es Helden gebührt, mit
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