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Galgenfrist fuer einen Toten - Der 1 DOUGLAS BRODIE Thriller

Galgenfrist fuer einen Toten - Der 1 DOUGLAS BRODIE Thriller

Titel: Galgenfrist fuer einen Toten - Der 1 DOUGLAS BRODIE Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gordon Ferris
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Rosen und Küssen empfangen zu werden, hielt ich die erzwungenen Geständnisse von Psychopathen und Linientreuen schriftlich fest. Ein nützliches Training für einen Journalisten, nehme ich an.
    Man entließ mich schließlich in einen bitteren Nachkriegsherbst. Wohl einen kalten Anweg hatten wir, war grad die schlimmste Zeit im Jahr für eine Reise, wie es T. S. Eliot in seiner Reise aus dem Morgenland so passend auf den Punkt brachte.
    Ich entschied mich, meine Entlassung aus der Armee in London durchzuziehen. Zum Dank für meine Dienste beschenkte mich der Staat mit einem zivilen Anzug der Marke Burton samt Filzhut, einem wetterfesten Regenmantel, einem Paar solider Lederschuhe und Geld, das ausreichen würde, um mich so lange zu betrinken, wie die Leber mitspielte. Immer wenn ich nüchtern wurde, begann das Zittern. Und sobald ich schlief, verfolgte mich die SA mit ihren sabbernden Hunden und Pfeifen. Offenbar hatten sich meine deutschen Sprachkenntnisse verbessert: All meine Albträume waren vollständig auf Deutsch.
    Es fiel mir leichter, in einem Zustand des Dauerrauschs in Südlondon herumzuhängen und in Selbstmitleid zu baden, während die depressiven Stimmungen kamen und gingen. Wenn ich aufwachte, schien mein Brustkorb von Bleigewichten zerquetscht zu werden. Sobald ich träumte, glaubte ich zu ersticken. Ein paarmal klopften die Nachbarn an ihre Zimmerdecke, um sich über den Mordslärm zu beschweren, den ich dabei veranstaltete. Ich dachte, sie bildeten sich diesen Lärm nur ein, bis ich irgendwann von einem lauten Schluchzen erwachte und feststellen musste, dass es von mir selbst stammte.
    Weihnachten kam und ging, und der Winter zehrte an meinen zerschlagenen Knochen. Eingehüllt in eine Steppdecke kauerte ich an den lauwarmen Briketts und stierte ins schwach lodernde Feuer, hielt nach meiner Zukunft Ausschau, sah aber nur die Vergangenheit.
    Eigentlich hatte ich den Wunsch, nach Schottland zurückzukehren, aber wie sollte ich den Leuten dort in meinem Zustand gegenübertreten? Ich war ein Wrack. Ein Trinker. Für meine Mutter lediglich eine Belastung.
    Sämtliche Nachfragen in ihren Briefen wehrte ich ab, merkte am Ton ihrer Antworten jedoch, dass sie krank vor lauter Sorge um mich war. Selbst in der Kirche sprach man sie auf mich an. Wo ist denn dein Junge abgeblieben? Der Junge, der das Stipendium bekommen und studiert hatte, von zu Hause geflüchtet war. Warum kommt er denn nicht wenigstens hin und wieder nach Hause, um dich zu besuchen?, wollten die Leute wissen. Doch meine Mutter ging weiterhin zur Kirche, gab den anderen keine Erklärung, suchte niemals Trost oder Verständnis bei einer mitfühlenden Seele. Sie hatte nie die Billigung oder das Einverständnis eines anderen Menschen gebraucht – mal abgesehen von meinem Vater. Und dass er mit ihr einverstanden war, wusste sie auch 15 Jahre nach seinem Tod noch so sicher wie am Tag, als sie ihn geheiratet hatte.
    Allerdings schrieb mich nicht die ganze Welt ab. Ich wurde zur selben Zeit aus der Armee entlassen wie der Brigadegeneral, der die Verhöre der Nazis von Berlin aus geleitet hatte. Nach Kriegsende gab man ihm seine alte Stelle in der Redaktion des London Bugle zurück. Wir trafen uns auf ein Bier. Auf mehrere Biere. Er brachte seinen Herausgeber dazu, mir ein paar Brocken hinzuwerfen, was immer wieder geschah, bis ich mir eines Tages tatsächlich einen solchen Brocken schnappte.
    Ich schaffte es, lange genug nüchtern zu bleiben, um knapp tausend Wörter über den aufblühenden Schwarzmarkt zusammenzuklopfen. Um mir die nötige Munition dafür zu besorgen, musste ich nicht lange recherchieren, sondern mich lediglich ein bisschen in meinen Stammkneipen umhören. Dem London Bugle schien der Artikel zu gefallen – na ja, zumindest halbwegs. Jedenfalls gab man mir weitere Aufträge, und ich begann, in unregelmäßigen Abständen über die Schattenseiten von London zu schreiben.
    Mittlerweile hatte ich sogar damit angefangen, in Les’ Boxclub zu trainieren, um mein Bein wieder beweglicher zu machen. Außerdem half mir das Training dabei, besser mit der schwelenden inneren Wut fertig zu werden, die stets darauf wartete, sich ihren Weg nach außen zu bahnen.
    Aber dieser Hilferuf von Hugh war schlicht zu früh gekommen. So weit war ich noch nicht. Immer noch hüllten mich Schuldgefühle wie ein Totenhemd ein. Das schlechte Gewissen, weil ich in London so lange herumgegammelt und meiner Mutter den dringend ersehnten Besuch verweigert hatte.

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