Galgenfrist fuer einen Toten - Der 1 DOUGLAS BRODIE Thriller
den Tod durch Erhängen vorsah.
Immerhin zwei wesentliche Ziele erreichte die Verteidigung in Person von Rechtsanwältin Samantha Campbell: Zum einen nahm sie die Zeugenaussagen von zwei Ermittlern gründlich auseinander. Der Kriminalmeister Bill Kerr hatte unter Eid erklärt, das Geständnis von Donovan sei vor seiner Konfrontation mit dem Tatort abgelegt worden. Dagegen behauptete der Kriminalbeamte Davy White, Donovan habe die sieben Stichwunden und die Nacktheit des Leichnams erstmals im Kohlenkeller erwähnt und erst bei Rückkehr ins Gefängnis ein volles Geständnis abgelegt, vermutlich in einem Anflug von Reue. Sam war es gelungen, die beiden Ermittler dermaßen aus dem Konzept zu bringen und gegeneinander auszuspielen, dass sie sich am Ende ihres Auftritts vor Gericht angeschrien hatten. Ich fragte mich, was wohl in ihren Protokollbüchern stehen mochte.
Zum anderen war es Sam gelungen, deutliche Zweifel an der Beweisführung der Staatsanwaltschaft bezüglich des Tathergangs und der physischen Indizien aufkommen zu lassen. Der Pathologe des Glasgower Labors für Rechtsmedizin äußerte im Rahmen der Verhandlung, Rorys Leichnam sei zwei oder drei Tage nach der Ermordung im Kohlenkeller abgelegt worden, das gehe aus dem Verwesungsstadium des Körpers eindeutig hervor. Zudem habe man im Keller auch keine Blutspuren gefunden.
Ein örtlicher Streifenpolizist namens Robertson – er durchsuchte Hughs Wohnung direkt am Tag nach Rorys Verschwinden als Erster – beschwor unter Eid, er habe das winzige Zimmer von oben bis unten durchgekämmt und dabei auch den Platz unter der Spüle nicht vergessen, sei jedoch auf nichts Belastendes gestoßen. Weder sei ihm dort ein blutdurchtränkter Stofflappen in irgendeinem Eimer in die Hände gefallen, noch eine Spur von dem Jungen selbst. Wo also hatte man Rory zwischenzeitlich gefangen gehalten?
24 Stunden nach Auffinden des Leichnams war die Polizei dann plötzlich auf den Eimer unter der Spüle gestoßen, in dem sich wundersamerweise alle Beweismittel für den Mord versammelt fanden: die Mordwaffe, die blutbefleckten Kleidungsstücke sowohl vom Jungen als auch von Hugh Donovan sowie die Fingerabdrücke von Letzterem. Zu Recht verwies Sam auf Ungereimtheiten: Wieso sollte ein Mörder den Jungen zunächst einige Tage an einem bislang unbekannten Ort festhalten, ihn dann töten, den Leichnam irgendwo anders deponieren und schließlich das ihn belastende Beweismaterial zurück in die eigene Wohnung bringen? Warum hatte er es nicht am Tatort zurückgelassen? Wieso hatte er sich selbst ans Messer geliefert? Und wieso verzichtete die Polizei darauf, den eigentlichen Ort des Verbrechens ausfindig zu machen?
Zudem stellte sich die Frage, wo Hugh Donovan die übrigen entführten Kinder versteckt hatte, falls er denn hinter ihrem Verschwinden steckte? Selbstverständlich, argumentierte Sam, könne die Staatsanwaltschaft Hugh nicht wegen Entführung und Ermordung der vier übrigen Jungen anklagen, weil deren Leichen nie aufgetaucht seien. Dennoch habe sie mit entsprechenden Andeutungen dafür gesorgt, dass auch in dieser Hinsicht Dreck an Hugh Donovan kleben blieb.
All diese Argumente setzte Sam auch als Hebel ein, als sie Muncie höchstpersönlich in den Zeugenstand berief. Anfangs trat er so überheblich wie immer auf und hob hervor, wie schlau er mit seinem Ermittlungsteam vorgegangen sei. Doch am Ende stand er voll in der Schusslinie und brüllte wütend, es habe keinen anderen Tatort gegeben. Er ging sogar so weit, dem armen Streifenpolizisten, der Hughs Wohnung zuerst betreten hatte, völlige Unfähigkeit vorzuwerfen. Nur deshalb habe er den Jungen nicht entdeckt, der zweifellos gefesselt und geknebelt unter dem Bett oder in irgendeinem Schrank gesteckt habe. Als Muncie auch noch die Verteidigerin anschrie und sie als redegewandte Unruhestifterin beschimpfte, die einem ehrlichen Polizisten das Wort im Mund verdrehte, sah sich der Vorsitzende Richter schließlich dazu gezwungen, eine Verwarnung gegen Muncie auszusprechen.
Sam Campbell hatte erreicht, was sie erreichen wollte. Die Theorie, dass der tatsächliche Mörder Beweismaterial in seine Wohnung einschmuggeln ließ, um ihn gezielt zu belasten, konnte nicht länger in den Bereich der Mythen und Märchen verbannt werden. Darüber hinaus wagte Sam den kühnen Versuch, Hughs blutbeflecktes Hemd damit zu erklären, dass man es von der Wäscheleine hinter dem Haus gestohlen und anschließend präpariert hatte. Außerdem
Weitere Kostenlose Bücher