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Galgentochter

Galgentochter

Titel: Galgentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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ihrem Mann. Es heißt ja nicht umsonst: Fröhliche Kinder sind die, die mit einem Lachen und Lust gemacht sind.»
    Ob es daran lag? Dass sie die Wollust, das Brennen und Glühen im Schoß im Grunde nicht kannte? Bisher hatte sie sich das zugutegehalten. Tugendhaftigkeit hätte sie es genannt, wenn es zu benennen gewesen wäre. Ob man Lust lernen konnte? Hella wurde rot, als dieser Gedanke in ihrem Kopf erschien, und verdrängte ihn sogleich wieder. Was blieb, war ihre Kinderlosigkeit. Und die Gründe dafür, das lag auf der Hand, waren bei ihr zu finden. Bei ihrer Unzulänglichkeit als Ehefrau.
    Als die Glocken zu Mittag läuteten, stand Hella auf. Heinz würde gleich aus dem Malefizamt zu ihr kommen. Sie wollte nicht, dass er sah, wie sehr sie geweint hatte, denn sie wusste, dass auch er sich oft fragte, warum ausgerechnet sie keine Kinder hatten. Und sie wollte nicht, dass er ahnte, wie sehr sie manchmal daran zweifelte, eine richtige Frau zu sein. Hella hatte nicht vergessen, wie Pater Nau einmal gesagt hatte, dass die Welt ein Jammertal und ein Graus sei und dass daran der Ungehorsam der Frau einen entscheidenden Anteil hatte.
    Diese Worte, obwohl sie dergleichen von Pater Nau gewöhnt war, hatten sie tief beunruhigt. War sie wirklich ein schlechtes Weib, weil sie sich in die Angelegenheiten ihres Mannes mischte und Ermittlungen anstellte? Weil sie ihm Widerworte gab und insgeheim wirklich nicht daran glaubte,dass das Weib dem Manne untertan sein musste? Missfiel dies Gott so sehr, dass er sie mit Kinderlosigkeit strafte?
    Hella trat ans Fenster und sah hinaus. Der Himmel, am Morgen noch blitzeblau und ungetrübt, hatte sich mit dicken Wolken bezogen. Grau und tief wie ein alter Lappen hing er über den Dächern der Stadt. Der Krämer auf der gegenüberliegenden Seite der Gasse sah zum Himmel, dann begann er, die Auslagen einzuräumen. Ein Lehrjunge rannte durch die Straßen, eine junge Frau trug einen Weidenkorb, der mit rotbackigen Winteräpfeln gefüllt war, nach Hause.
    Als sie Heinz um die Ecke kommen sah, seufzte Hella noch einmal, doch dann überzog ein Lächeln ihr Gesicht. Sie riss das Fenster auf, rief den Namen ihres Mannes und winkte. Gleich darauf hastete sie die Treppe hinab und stürzte sich in Heinz’ Arme, kaum, dass dieser das Haus betreten hatte.
    Am Abend saßen die beiden gemeinsam im Wohnzimmer. Hella hielt einen Stickrahmen in der Hand.
    «Was soll das werden, was du da stickst?», fragte Heinz, der ihr gegenübersaß und die Beine bequem von sich gestreckt hatte. Hella lachte. «Ich habe keine Ahnung. Eine Frau muss sticken, das ist alles, was ich weiß. Also halte ich den Stickrahmen und fummele mit den Fäden herum, auf dass du daran deine Freude hast.»
    Richter Blettner lachte bei diesen Worten schallend. «Leg den Stickrahmen weg, Liebes. Es gibt Dinge, für die man einfach nicht gemacht ist. Ich fürchte, Sticken gehört bei dir dazu.»
    Hella zog einen Schmollmund. «Woher willst du das wissen? Bis jetzt habe ich ja noch nichts gestickt.»
    «Ebendarum!»
    Heinz stand auf, strich seiner Frau über das Haar, goss ihr und sich Wein aus einem Krug in die guten Gläser aus Böhmen, die sie vom Bürgermeister zur Hochzeit bekommen hatten.
    Hella gähnte. «Ich bin müde», sagte sie. «Lass uns zu Bett gehen.»
    Draußen machte der Nachtwächter seine Runde und schickte die Leute nach Hause. Allmählich erstarb der Lärm auf der Straße, machte tiefer Stille Platz. Irgendwo heulte ein Hund, woanders weinte ein Kind. Aus der Ferne war der grölende Gesang eines Betrunkenen zu hören.
    «Geh, Liebes, geh zu Bett. Ich komme gleich, muss rasch noch etwas bedenken.»
    Hella stand auf, nahm einen der beiden Kerzenleuchter zur Hand, küsste ihren Mann und ging hinüber in die Schlafkammer. Dort entzündete sie einen weiteren Leuchter, der auf einer Anrichte stand, und stellte den anderen daneben. Sie setzte sich vor der Anrichte, auf der ein Spiegel stand, auf einen Schemel und löste ihr Haar. Seidig und glänzend fielen ihr die dunkelblonden Strähnen über Rücken und Schultern. Mit einer Bürste fuhr Hella durch die glänzende Pracht. Dann goss sie Wasser aus einer Kanne in eine Schüssel, nahm eine duftende Seife aus einem Kästchen und wusch sich flüchtig, lauschte dabei auf Geräusche von draußen. Als sie Stiefelschritte hörte, ließ sie die Seife sinken. Sie wusste genau, dass es gleich an der Tür klopfen würde. Und sie wusste ebenso sicher, welche Nachricht der späte Gast

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