Galgentod
geben. Und genau das erhoffte er sich jetzt. Forsetis Verhalten gab ihm Rätsel auf. Kullmann würde aus seiner unerschöpflichen Lebensweisheit bestimmt etwas Hilfreiches beitragen können. Ganz so, wie Schnur den ehemaligen Vorgesetzten und Freund kannte.
Es klingelte durch.
Nach einer Weile meldete sich Martha Kullmann.
»Jürgen Schnur hier.« Weiter kam er nicht.
»Es tut mir wirklich leid«, begann Martha. »Aber mein Mann ist nicht zu erreichen. Er hat Anke nach Frankreich begleitet.«
Schnur fühlte sich wie vor den Kopf geschlagen.
»Und über Handy?«
»Du kannst es ja mal versuchen. Aber man erreicht ihn dort selten. Vielleicht trägt er das Handy nicht immer mit sich.«
Er legte auf und wählte umgehend Kullmanns Handynummer. Doch genau wie Martha es ihm angekündigt hatte, bekam er nur die Mail-Box zu hören. Trotzdem nahm er sich vor, dranzubleiben. Irgendwann würde es ihm gelingen, zu seinem ehemaligen Chef durchzudringen.
Es klopfte an seiner Tür.
Unwirsch stieß er ein »Herein« aus, obwohl ihm gerade nicht nach Besuch war. Sein Versuch, einen nützlichen Rat zu bekommen, war gescheitert, was seine Laune nicht besserte.
Anton und Esther traten ein.
»Habt ihr Neuigkeiten?«, fragte Schnur hastig, damit sie seine schlechte Laune nicht bemerkten.
Esther begann zu berichten und fügte zum Abschluss vielsagend an: »Lara Ferringers Schilderung, wie der Deutschlehrer mit schlechten Arbeiten umging, macht sie selbst verdächtig.«
»Warum?«, horchte Schnur auf.
»Ihre eigene Arbeit hing wochenlang zur Belustigung aller am Schwarzen Brett.«
»Das ist ja ein Ding.« Schnurs Augen leuchteten auf.
»Aber auch Mirna Voss ist dieser Methode zum Opfer gefallen«, meldete sich Anton zu Wort. »Dominik Jost war nicht so zurückhaltend mit den Namen von betroffenen Mitschülern.«
»Was hat er noch berichtet?«, fragte Schnur und grummelte: »Muss ich dir jedes Wort aus der Nase ziehen?«
»Diese Mirna wird für uns immer interessanter«, antwortete Anton schnell. »Denn nicht nur diese Zuschaustellung gibt ihr ein Motiv. Beim Abitur ist sie durchgefallen, was sie dem Deutschlehrer vorwirft.«
Optimismus breitete sich aus, den Schnur jedoch mit seiner nächsten Bemerkung wieder zu vernichten verstand: »Wäre da nicht die Brutalität des Verbrechens.«
»Nur weil sie eine Frau ist, ist sie nicht zu Brutalität fähig?«, fragte Anton spitz und rümpfte die Nase.
»Das meine ich nicht. Nach dem Gespräch mit dem Gerichtsmediziner weiß ich, dass Bertram Andernach neunzig Kilo wog. Er hat noch gelebt, als er aufgehängt wurde. Das heißt, dass es zu einem Kampf gekommen sein muss.«
»Du meinst, dass sie nicht stark genug ist für diese Tat?«
Schnur nickte.
»Dann hatte sie einen Helfer.«
»Wer ist so dämlich und bringt einen Menschen für einen anderen um?«, fragte Schnur.
»Jemand, der dasselbe Motiv hat«, gab Anton zum Besten. »Ich denke da an Lara Ferringer.«
»Diese zarten Dinger machen sich die Hände nicht schmutzig«, widersprach Esther. »Ich glaube vielmehr an jemanden, der unsterblich verliebt ist.«
»Stimmt.« Schnur griff nach seinem Telefon, wählte eine Nummer und wartete. Nach einer Weile machte er ein verdutztes Gesicht und fragte: »Wo ist Erik? Ich dachte, ich hätte seine Nummer gewählt.« Wieder Lauschen, dann sagte er: »Komm bitte in mein Büro!«
Nur wenige Sekunden später trat Andrea ein.
Als sie Esther und Anton sah, wirkte sie sofort verunsichert. »Was ist los?«, fragte sie.
»Ich glaube, ich habe mich in unserer Besprechung nicht klar genug ausgedrückt«, begann Schnur schroff. »Als ich sagte, dass keiner von euch Alleingänge machen soll, meinte ich das auch so.«
»Niemand macht Alleingänge«, wehrte sich Andrea sofort. »Erik sucht nur Akten und schreibt dann den Bericht über unsere Befragung.«
»Und welche Akten braucht er dafür?«
Darauf wusste Andrea keine Antwort.
»Die einzige Akte, die es zu diesem Fall gibt, liegt nämlich hier auf meinem Tisch. Dort werden alle Fakten zusammengetragen«, erklärte Schnur in scharfem Tonfall. »Und Erik ist mir nicht über den Weg gelaufen. Also. Wo ist er?«
»Ich sagte doch, er will den Bericht schreiben«, wich Andrea aus. Inzwischen sah ihr Gesicht blass aus. »Vielleicht musste er sich einen neuen Toner für seinen Drucker besorgen.«
»Unsere Rechner sind alle am zentralen Drucker angeschlossen.«
Jetzt fiel Andrea nichts mehr ein. Schweigend schaute sie Schnur an.
»Was würde
Weitere Kostenlose Bücher