Galileis Freundin (German Edition)
hieß er ihn Platz nehmen.
Die beiden Männer saßen sich gegenüber, an dem breiten langen Tisch. Die Finger des Ang e klagten trommelten unkontrolliert auf der Tischplatte. Giancarlo legte eine Hand beruhigend auf die zitternden Glieder.
"Ich hörte, ihr seid der Kirche sehr dienlich gewesen. Ihr habt zusätzlich der Familie seiner Durchlauchtigsten Hoheit heldenmütig gedient. Valerio Chiarenti da San Gimignano, ihr seid in der Tat dem Staate Florenz ein treuer Diener. Ihr werdet dafür belohnt werden. Ihr dürft ung e achtet eures Verstoßes gegen die florentinischen Gesetze in eure Heimat zurückkehren und dort ein Leben führen, wie ihr es zuvor getan habt. Die kleinen Sünden der Vergangenheit werden euch verziehen."
Giancarlo breitete seine Arme aus. Seine breit herabfallende Robe plusterte ihn wie einen Pfau auf. Seine Mundwinkel zogen sich nach unten, als er das Gesicht des Arztes betrachtete. In der verängstigten Kreatur entdeckte er einen Hoffnungsschimmer, der sich nach Ruhe und Zuve r sicht sehnte.
"Ihr werdet noch ein wenig mehr eurem Staate dienen können."
Giancarlo lehnte sich langsam in seinem Sessel zurück. Er nickte bedächtig und trommelte ne r vös mit seinen Fingern auf den Tisch. Dann holte er tief Luft und stieß plötzlich wie eine Dr o hung eine Frage hervor: "Wo ist die Markgräfin Caterina Picchena?"
Giancarlo hatte sich sofort wieder in seiner Gewalt. Er faltete seine Hände und ließ sie ruhig auf dem Tisch liegen. Dann schloss er die Augen. Seine Lippen bewegten sich, als betete er zum Herrn dieser Welt. Als er die Augen wieder öffnete, starrte er den Valerio unentwegt an und durchdrang seine Augen.
Der geschwächte Arzt konnte den forschenden Blick nicht standhalten . Als würde ihm erneut die Folter vor Augen geführt, begannen seine Lippen das Geständnis zu formulieren, das der Kardinal von ihm erwartete.
Valerio berichtete stockend, wie sie die Flucht vorbereitet hatten, er erzählte über den Seeweg nach Marseille und über die schändliche Tat des Frains d'Aix. Seiner Schilderung seiner Rüc k reise fügte er nur noch einige wenige Worte an.
"Caterina Picchena ist mit ihrem Sohn und mit dem Fischer Bool auf dem Schiffswege zurüc k gekehrt. Ich denke, sie sind längst vor mir hier in der Toskana eingetroffen. Ich weiß nichts über ihren Verbleib, Monsignore. Ich denke, sie hat vielleicht noch in Marseille den Fischer geheiratet. Vielleicht leben sie in einer armen Fischerhütte in Livorno oder in dem kleinen F i scherhafen am Rande von Livorno. Vielleicht auch leben sie schon wieder in Florenz, Mons i gnore. Die Markgräfin liebt das Leben. Vor allem das Treiben in einer lebendigen Stadt wie Florenz", fügte er noch bereitwillig hinzu.
"Valerio Chiarenti da San Gimignano, ihr seid frei", lächelte Giancarlo still. "Ihr könnt euch wenden, wohin es euch beliebt. Kommt ihr zurück nach San Gimignano, so baut dort in Ruhe und mit dem Segen der Kirche und des Herrscherhauses ein neues Leben auf."
Der Kardinal machte eine Pause. Dann fasste er den Delinquenten fest in den Blick.
"Valerio, noch eines will ich euch sagen. Ihr seid frei, weil eure Aussage mit der Aussage eines unserer Spione übereinstimmt. Er hat euch von Marseille an beobachtet. Er hat eure Gespräche belauscht. Wir haben euch hier in Florenz auf Schritt und Tritt beschatten lassen. Wir wussten , wo ihr wohnt, wir waren bei euch in der Kirche San Marco, als Girolamo predigte."
"So wisst ihr auch, dass Girolamo unschuldig an dem Mordanschlag ist?"
In den Augen Valerios glomm ein Hoffnungsschimmer, dass sein Freund gerettet werden könnte.
„Ihr seid entlassen. Ihr habt eure Dienste getan “, fügte der Kardinal zweideutig hinzu.
Valerio erhob sich schwankend. Der Wärter geleitete ihn auf die Straße. Dann ließ er ihn alle i ne zurück. Die nachmittägliche Sonne blendete den Mann. Er hielt seine Augen mit der Hand bedeckt und wankte langsamen Schrittes in die Stadt.
Florenz zeigte am Tage nach dem Fest sein behäbiges Gesicht. Die Tribünen wurden wieder abgebaut. Die Menschen gingen ihrer täglichen Arbeit nach, andere schwatzten wie zuvor auf den Gehwegen. Für Valerio hatte sich in diesen wenigen Stunden, in den eineinhalb Tagen, die Welt verändert. Er lebte in Frieden mit den Herrschern der Kirche und des Staates. Er hatte seine besten Freunde verraten und verkauft für die eigene Sicherheit, für das eigene Wohlerg e hen. Das Geständnis des Kardinals und die Unschuld Girolamos brach en
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