Galileis Freundin (German Edition)
überziehen konnten mit lauter Stimme.
"Ferdinando, ihr irrt euch, ihr tut Unrecht. Ihr lasst den Falschen laufen und mich bringt ihr um. Giancarlo, ihr seid der wahre Täter, am jüngsten Tag werdet ihr in die heißen Kessel der Hölle fahren."
Unter den Menschen war große Unruhe entstanden. Die Ehrenträger vor dem Palazzo Gra n ducale riefen aufgeregt durcheinander. Einem Henker war die Kapuze auf den Boden gefallen. Er versuchte dem Delinquenten den Mund zu stopfen, bis er ihm die Kapuze endgültig und eng um den Kopf schnüren konnte. Der Henker war zitterig. Er wusste , dass ihm sein Fehler den Kopf kosten würde.
Dann ließ sich Girolamo in die Gabbia di Ferro binden, der Käfig wurde geschlossen und mit einer Kette gesichert.
Erneut setzten dumpfe Trommelschläge ein. Mit jedem Dröhnen der Pauke wurde die Gabbia an der eisernen Kette höher gezogen. Das Metall schrammte mit einem reißenden Geräusch über das Kreuz, als vier Männer den Käfig mit Girolamo im Takt der Paukenschläge höher wuchteten. Kurz über dem Scheiterhaufen hielt die Gabbia an. Mit einer weiteren an der Ga b bia befestigten Kette wurde der eiserne Käfig an den Pfahl gebunden. Eifrige Helfer füllten die freien Stellen um den Pfahl herum mit trockenem Reisig auf.
Der Inquisitor stand wenige Schritte neben dem Scheiterhaufen. Ein Knecht hielt ihm eine l o dernde Fackel als er noch einmal das Urteil verlas. Ein Priester neben ihm reckte mit ausg e streckter Hand ein Kruzifix in die Höhe.
Auf die Reisigbündel und Besen wurden Öl, Branntwein und verschiedene Harze gegossen.
Der Inquisitor wandte sich in die Richtung des Palazzo. Giancarlo rief mit lauter Stimme.
"Inquisitor vollstreckt es."
Mit einer Handbewegung deutete der Inquisitor auf den Fackelknecht. Der Mann trat ein paar Schritte auf den Scheiterhaufen zu. Er bückte sich und legte unter einem aufgeregtem Tro m melwirbel Feuer an das trockene Holz. Andere finstere Kapuzenmänner legten ebenso mit Fa c keln Feuer an den Scheiterhaufen, auf dass die Flammen schneller über den Körper des Girol a mo hinweg loderten. Ein geheimnisvoller Feuersturm riss die Kapuze des Girolamo von seinem Kopf nach oben. Der Mönch spuckte seinen provisorischen Knebel aus. Seine Augen funkelten in dem Licht, das ihn verzehren sollte.
Valerio erschrak zu Tode. Der Mönch in dem eisernen Käfig hatte seinen Blick fest auf ihn gerichtet. Valerio flüsterte
"Verzeiht Girolamo, verzeiht mir armen Versager.“
Fra’ Girolamo de Pagagliotti aber rief mit donnernder Stimme gegen die Feuersbrunst:
"Was ist schon dieses Leben, was sind schon die Güter und die Freuden dieser Welt? Wenn ihr eines mitnehmen wollt von mir, dann achtet auf euer Selbst und eure Wahrheit", die anderen Worte des sterbenden Mönches blieben hinter dem Feuersturm des Scheiterhaufens ungerufen.
Nicht ein einziger Schrei des Schmerzes verließ seinen Mund, nicht eine einzige Geste der Qual sandte der Mönch aus.
Das Volk war erstarrt. Atemlose Stille lag über der Piazza. Nur das Knistern der Reisigbündel war zu hören, einzelne Kiefernäste platzten auseinander. Das hell flackernde Feuer beschien die ehrfürchtigen und angstverzerrten Gesichter der Bürger.
„Er ist ein heiliger Mann“, stöhnte eine alte Frau.
Das Volk hatte lange geschwiegen. Dann johlte es und schrie laut auf, um seine eigene Spa n nung loszuwerden. Der Scheiterhaufen flammte bis über den Palazzo Granducale hinweg.
"Girolamo, Freund", flüsterte Valerio stimmlos, "verzeiht mir, schenkt mir ein wenig eurer Kraft und eurer Güte. Errettet mich aus einem unerträglichen Sein."
Bald schon fiel der verbrannte Körper in sich zusammen, einzelne Glieder fielen ab. Nur der eiserne Käfig hielt die Teile noch so lange zusammen, bis alles in Glut und Asche vergangen war.
In einem letzten Aufbäumen fiel der Scheiterhaufen in sich zusammen und die verdichtete Glut entfachte noch ein letztes Mal eine unerträgliche Hitze.
In den Butzenfenstern der Palazzi spiegelte sich das rote Feuer wieder. In anderen Palästen, die noch ohne Glasfenster waren, hingen die Menschen in den Öffnungen und betrachteten gierig das Geschehen.
Langsam wandte sich Valerio ab. Mit schweren, müden Schritten schlurfte er dem Arno zu. Er setzte sich weit von jeglichem Trubel an das Ufer des ziehenden Wassers. Wie ein Knabe löste er kleine Steine aus dem Boden und warf sie in die Fluten des Flusses. Er schaute den Steinen zu, wie sie beim Aufprall Wellenkreise erschufen und
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