Gallaghers Tochter (German Edition)
Aussage, er sei nur ein relativ unbedeutender Funktionär in Katacharas Bürokratie, eine eindeutige Untertreibung. In der Realität sah es so aus, dass Iljic Rajennkos Karriere untrennbar mit der des drobarianischen Generaldirektors verbunden war. Rajennko war stets der Mann fürs Grobe gewesen, zunächst innerhalb der Stellar News Agency, bei der er und Katachara zusammen als Journalisten gearbeitet hatten, und später in der Regierung der Galaktischen Allianz. Rajennko schien als Minister ohne festes Ressort zu agieren und immer dort zur Stelle zu sein, wo es brannte. Katachara schien ihn in der Tat als seine sprichwörtliche rechte Hand zu betrachten.
Noch erschreckender waren die Erkenntnisse, die Clou über sich selbst gewonnen hatte. Es gab nur einige knappe Einträge über ihn in der Bordbibliothek, doch die hatten gereicht, um Clou in eine tiefe Krise zu stürzen.
Nach allem, was er jetzt wusste, war er nicht der gefeierte und hochdekorierte Kriegsheld an Katacharas Seite gewesen, wie Iljic ihm hatte weismachen wollen. Er hatte auch nie eine leitende Funktion im Königreich Kerian ausgeübt. Er schien sogar Katachara in der Vergangenheit nie begegnet zu sein – zumindest war nichts darüber in der offiziellen Geschichtsschreibung vermerkt. Dieser Teil seiner Biografie war also offenbar eine Erfindung seines Freundes Iljic gewesen.
Nein, ein Held war er nicht gewesen, im Gegenteil; wenn sein Name in den Akten auftauchte, dann nur im Zusammenhang mit Ereignissen, die die Geschichte von Primwelt K gravierend beeinflusst hatten. Einmal war ein Captain Clou Gallagher in den Unterlagen erwähnt, der in ein Komplott am Hofe des Königs von Kerian verwickelt worden war. Der Skandal hatte seinerzeit die Monarchie stark ins Wanken gebracht und beinahe zur Abdankung des Königs geführt. Jahre später dann hatte ein General Clou Gallagher auf der Seite eines abtrünnigen Provinzgouverneurs für die Unabhängigkeit des Systems Trusko von der kerianischen Zentralregierung gekämpft, und alle Indizien sprachen dafür, dass der besagte General Gallagher eine Reihe von Terroranschlägen auf Kerian konzipiert und durchgeführt hatte – einschließlich der Ermordung des kerianischen Königs. Schließlich hatte jemand namens Clou Gallagher offenbar noch kurz vor der Gründung der Galaktischen Allianz für Schlagzeilen gesorgt, weil er Widerstand gegen die Staatsgewalt geleistet hatte oder etwas in der Richtung …
Clou schüttelte müde den Kopf. Das konnte nicht wahr sein! Er war doch kein Verbrecher!
Oder doch?
War er wirklich ein Saboteur, ein Rebell, ein Terrorist, ein Mörder gewesen? Er konnte sich beim besten Willen nicht erinnern … War er in dem, was er tat, etwa so gut gewesen, dass Iljic ihn nur deshalb wieder ins Leben zurückgeholt hatte? Um ein weiteres Attentat durchzuführen – einen Anschlag auf den Generaldirektor der Galaktischen Allianz?
Wenn es nun tatsächlich Iljic Rajennko war, der Katachara hasste? War es möglich, dass es ihm gelungen war, seinen Hass auf den Drobarianer durch gezielte Falschinformationen und stimulierende Psychopharmaka auf Clou zu transferieren? Vielleicht hätte der wirkliche Clou Gallagher ja gar keinen Grund gehabt, Katachara töten zu wollen …
Clou folgte diesem neuen Gedankengang aufgeregt. Wenn wir es als gegeben hinnehmen, dass der ›alte‹ Clou gar kein hochdekorierter Kriegsveteran war, dann dürfte es auch unwahrscheinlich sein, dass er jemals irgendeine Regierungsfunktion ausgeübt hat. Ergo hatte auch Katachara keinen Anlass, mich oder Debi oder Becky durch ein Attentat aus dem Weg räumen zu lassen, und das bedeutet …
Er stutzte.
Debi?
Becky?
Er erinnerte sich wieder! Ein chaotischer Sturm von Bildern, Gerüchen und Gesprächsfetzen flutete durch sein Gehirn, so intensiv und so emotional, dass er sich stöhnend hinsetzen musste. Nach wenigen Sekunden war der Spuk vorbei, und die Eindrücke verblassten.
Debi und Becky … Rebecca! Jetzt erinnerte er sich wieder an die Namen und die Gesichter seiner Frau und seiner Tochter. Iljic hatte ihm neulich falsche Namen genannt … entweder weil er die richtigen Namen gar nicht gekannt hatte oder weil er exakt das hatte vermeiden wollen, was soeben mit Clou geschehen war.
Clou wischte sich die Tränen aus den Augen und sah mit grimmiger Entschlossenheit zu den Sternen, die kalt vor dem Fenster seiner Kabine funkelten. Die Fähigkeit, sich an seine
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