Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition)

Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition)

Titel: Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kerouac
Vom Netzwerk:
dich liebt.»
    «Das glaub ich nicht.»
    «So spielt das Leben», sagte ich, als ich davonwanderte, einen riesigen Glasballon mit Wein am gekrümmten Zeigefinger, und ich ging wieder den Hügel rauf und hörte, wie Psyche versuchte, ihren Wagen zurückzusetzen und auf der schmalen Straße zu wenden, und das Hinterteil landete im Graben, und sie kam nicht wieder raus und musste doch auf Christines Fußboden schlafen. Inzwischen waren Bud und Coughlin und Alvah und George alle oben in der Hütte in verschiedenen Decken und Schlafsäcken auf den Fußböden ausgestreckt. Ich legte meinen Schlafsack in das sanfte Gras und hatte das Gefühl, von dem ganzen Haufen am glücklichsten dran zu sein. Die Party war also aus und das ganze Geschrei vorüber, und was war dabei herausgekommen? Ich fing an, in der Nacht zu singen, und amüsierte mich mit dem Wein. Die Sterne waren blendend hell.
    «Ein Moskito, so groß wie Mount Sumeru, ist viel größer, als du denkst!», rief Coughlin aus der Hütte, als er mich singen hörte.
    Ich rief zurück: «Ein Pferdehuf ist zerbrechlicher, als er aussieht!»
    Alvah kam in seiner langen Unterwäsche rausgerannt und vollführte einen langen Tanz und jaulte lange Gedichte im Gras. Schließlich berichtete uns Bud ernsthaft von seiner jüngsten Idee. Wir machten da oben eine Art neue Party. «Lasst uns runtergehen und nachsehen, wie viele Mädchen noch da sind!» Ich ging den Hügel runter, kullerte den halben Weg, und versuchte, Psyche wieder mitzuschleifen, aber sie schlief wie ein Stein auf dem Fußboden. Die Glut des großen Lagerfeuers war noch glühend heiß und gab viel Wärme ab. Sean schnarchte im Schlafzimmer seiner Frau. Ich nahm etwas Brot von der Planke und schmierte etwas Hüttenkäse drauf und aß und trank Wein. Ich war ganz allein beim Feuer, und es dämmerte grau im Osten. «Mensch, bin ich besoffen!», sagte ich. «Aufwachen! Aufwachen!», rief ich. «Die Ziege des Tages nimmt die Dämmerung auf die Hörner! Kein Wenn und Aber! Hallo! Los, ihr Mädchen! Krüppel! Dreckskerle! Diebe! Zuhälter! Henker! Rennt!» Dann fühlte ich plötzlich zutiefst die Erbärmlichkeit aller Menschenwesen, ihre Gesichter, gequälten Münder, ihre Versuche, Charakter zu zeigen und fröhlich zu sein, ihre kleinen Verdrießlichkeiten, Gefühle der Verlorenheit, ihre langweiligen und leeren, so schnell vergessenen Witzeleien: Ach, wozu? Ich wusste, dass das Geräusch der Stille überall war und deshalb alles überall Stille war. Angenommen, wir wachen plötzlich auf und merken, dass das, was wir für dies und das gehalten haben, gar nicht dies und das ist? Ich wankte bergan, von Vögeln begrüßt, und blickte auf all die zusammengekauerten, schlafenden Gestalten am Boden. Wer waren all diese fremden Geister, die mit mir in dem törichten kleinen Abenteuer Erde verwurzelt waren? Und wer war ich? Armer Japhy, um acht Uhr stand er auf und gongte mit seiner Bratpfanne und sang den «Gocchami»-Gesang und rief alle zu den Pfannkuchen.

29. Kapitel
    Die Party dauerte tagelang; am Morgen des dritten Tages lagen die Leute immer noch in der Gegend herum, als Japhy und ich heimlich unsere Rucksäcke rausholten, ein paar ausgesuchte Lebensmittel reintaten und in der orangenfarbenen Morgensonne goldener kalifornischer Tage die Straße hinabzogen. Es sollte ein großartiger Tag werden, wir waren wieder in unserem Element: Wanderpfade.
    Japhy war bester Laune. «Verdammt nochmal, es ist ein schönes Gefühl, sich von der Ausschweifung zu lösen und in die Wälder zu gehen. Wenn ich aus Japan wiederkomme, Ray, wenn das Wetter richtig kalt wird, ziehen wir unser langes Unterzeug an und trampen durch das Land. Stell dir das vor, wenn du kannst: vom Ozean bis ins Gebirge, Alaska bis Klamath, ein einziger Nadelwald, für uns Bhikkus, ein See mit einer Million Wildgänse. Wuh! Weißt du, was wuh auf Chinesisch bedeutet?»
    «Was?»
    «Nebel. Diese Wälder hier in Marin sind das Schärfste, ich zeige dir heute Muir Woods, aber oben im Norden liegt das ganze richtige alte pazifische Küsten- und Bergland, die zukünftige Heimat der Dharma-Gesellschaft. Weißt du, was ich vorhabe? Ich will ein neues, langes Gedicht schreiben, Flüsse und Berge ohne Ende, und einfach immer weiterschreiben auf einer Papierrolle und sie immer weiter abrollen lassen, mit neuen Überraschungen, und immer so, dass das, was vorhergegangen ist, wieder vergessen wird, verstehst du, wie ein Fluss oder wie eine von diesen ganz langen chinesischen

Weitere Kostenlose Bücher