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Ganz oder gar nicht (German Edition)

Ganz oder gar nicht (German Edition)

Titel: Ganz oder gar nicht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Häusler , Lothar Matthäus
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rüstigen, wohlhabenden älteren Dame um die siebzig mit einer großen Villa. Armin Veh hatte das Angebot angenommen, stand dort aber die ganze Zeit unter ihrer Aufsicht. Ich hatte lang genug bei meinen Eltern unter Kontrolle gestanden. Nach dem Training bin ich häufiger mal zu Armin und habe mit ihm und der Frau gegessen. Während ich jedoch abends rausgehen konnte, in die Kneipen der Altstadt oder in den Wienerwald, musste er um halb elf zu Hause sein. Die Dame hat mit der Borussia kooperiert, und am nächsten Tag wusste Jupp Heynckes garantiert, wer sich mal wieder zu lange herumgetrieben hatte. Da gab ich mich doch lieber mit Fastfood und Dosenravioli zufrieden, mit meinem mickrigen Essplatz, zwei Kaffeetassen im Regal, drei Messern in der Schublade und dem eigenen Bett. Es war schon abenteuerlich und das Gegenteil von Luxus. Ein gutes Jahr habe ich es dort ausgehalten, dann sollte Silvia nach Mönchengladbach kommen und mit mir in eine größere Neubauwohnung ziehen.
    Wäre da nicht Rosi gewesen. Zwei Wochen vor Silvias Umzug machte ich mit meinem Freund Armin Veh, der heute bekanntlich ebenfalls Trainer ist, einen Ausflug nach Augsburg. Dort verliebte ich mich in der Disco in Rosi, eine 18-jährige Friseurin, nein, eine Paradefriseurin, mit langen blonden Haaren und draller Figur. Sie hatte sich genauso in mich verliebt, was dazu führte, dass sie Hals über Kopf ihren Job aufgab und innerhalb einer Woche zu mir nach Mönchengladbach zog. Um Himmels willen, Lothar! Ich war halt nie gern alleine. Mit ihr richtete ich die neue Wohnung ein. Es fing wunderbar an, doch nach zwei Monaten merkte ich, dass es diese Frau nicht ist. Ich fühlte mich nicht wohl mit ihr und vermisste jemanden, der vorher an meiner Seite war. Also rief ich reumütig Silvia an und war heilfroh, dass sie mir verzieh. Sie kam nach Mönchengladbach und zog in dieselbe Wohnung ein, die ich mit Rosi eingerichtet hatte. Ein Jahr später, 1981, heirateten wir. Ich hatte gemerkt, dass wir nach meiner Verirrung doch zusammengehörten und fand es als Fußballer mit diesem unsteten und rastlosen Leben angenehm, ein stabiles Umfeld, einen Ruhepol, ein Zuhause zu haben.

SCHNELLER AUFSTIEG, ERSTE ERNÜCHTERUNG
    Wer zu spät zur Saisonvorbereitung stößt, kann nicht erwarten, dass er im ersten Spiel aufläuft. So war es auch bei mir. Ich hatte zwar meinen Gesellenbrief in der Tasche, saß beim Auftakt gegen Schalke aber auf der Tribüne. Das war nicht weiter schlimm, beim zweiten Spiel gegen den HSV saß ich schon auf der Bank. Beim Spiel gegen Berlin am fünften Spieltag wurde mir klar, wo ich als Jüngster im Team stand: relativ weit unten. Wir hatten bei Auswärtsspielen ungefähr sechs dieser riesigen Alu-Koffer dabei, vollgepackt mit allen Schuhen, Trikots und Jacken. Hätte jeder mit angefasst, hätten wir die Koffer mit einer Tour oben in den Kabinen gehabt. Nicht so 1979. Sowohl die Offiziellen als auch die Stammspieler hatten keine Lust auf Arbeit. So musste ich mit Armin Veh die Dinger erst hundert Meter durch die Katakomben des alten Olympiastadions tragen, um sie dann über Steintreppen drei Stockwerke hochzuhieven. Dreimal liefen wir diese verdammte Strecke vom Bus in die Kabine, zusammengerechnet waren das bestimmt zwei Kilometer – brutal. Wer dieses Stadion damals gebaut hat, besaß keinen Weitblick.
    Die Hackordnung funktionierte ziemlich perfekt. Es blieb nicht beim Kofferschleppen. Wenn ein Star der Mannschaft andere Schraubstollen unter seinen Schuhen haben wollte, wurde ich gerne mal angewiesen: »Hier, Lothar, mach mal.« Das müsste heute kein junger Spieler mehr tun. Weil es Zeugwarte gibt und jeder nicht nur auf eines, sondern auf fünf Paar Schuhe zurückgreifen kann. Und wenn sich damals ein paar Spieler im Bus zum Kartenspielen gefunden hatten, war ich es, der immer zum Kühlschrank laufen musste, um Mineralwasser zu holen. Diese Hierarchie habe ich akzeptiert. Als Lehrling im Betrieb hatte ich ja ganz ähnliche Situationen erfahren. Da wurde ich von den Gesellen zum Metzger geschickt, um für die Brotzeit zu sorgen. So gesehen war ich auch in Mönchengladbach ein Auszubildender, ein Amateur, der plötzlich bei den Großen mitmischen sollte. Die Handlangerdienste waren okay. Ich habe später auch noch mit hundert Länderspielen oder als Nationaltrainer alles Mögliche geschleppt, wenn Not am Mann war. Das sorgt für ein gutes Klima im Team.
    Am siebten Spieltag in Kaiserslautern war es dann so weit. Jupp Heynckes sagte mir

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