Ganz oder gar nicht (German Edition)
eine Standpauke von Jupp Heynckes gebraucht. Man muss wissen, dass wir beim Hinspiel in Magdeburg sehr hart rangenommen worden waren. Wir Spieler haben in Mönchengladbach die erste Halbzeit nutzen wollen, um die Magdeburger genauso in die Mangel zu nehmen. Wir wollten sie bekämpfen. Bis Jupp Heynckes in der Kabine blaffte, wir sollten jetzt endlich mal anständigen Fußball spielen und keinen Ringkampf veranstalten. Er war richtig sauer.
Es war schon etwas Besonderes, dieses aufgeheizte deutsch-deutsche Duell zu gewinnen. Nachhaltig war die Euphorie aber nicht. Schon in der zweiten Runde sind wir gegen Dundee United mit 2:0 und 0:5 ausgeschieden.
MARACANÃ! MARADONA!
Im November 1981 berief mich Jupp Derwall erneut in die Nationalmannschaft. Mein Comeback hatte ich beim WM-Qualifikationsspiel gegen Malta in Dortmund – als Auswechselspieler, es war ein unspektakulärer Einsatz. Das erste Länderspiel von Beginn an werde ich allerdings nie vergessen. Ein Highlight meiner Karriere, auch weil es an meinem Geburtstag stattfand, am 21. März 1982, und nicht irgendwo, sondern in Brasilien.
Der DFB schickte uns auf eine Südamerikareise mit zwei Vorbereitungsspielen auf die WM. Das erste in Rio gegen Brasilien. Maracanã! Damals das größte Stadion der Welt. 170000 Zuschauer. Ich spielte gegen Zico und bekam viel Lob von der Presse. Dass man von dem weißen Pelé nicht viel gesehen habe, hieß es. Wir verloren durch ein Tor von Junior kurz vor Abpfiff. Abends stieß ich mit acht, neun Kollegen, auf der Copacabana auf meinen Geburtstag an. Der Club, eine Institution des Nachtlebens von Rio, hieß Help, wie der Beatles-Song. Bis vor wenigen Jahren gab es den noch. Wir tranken Baccardi Cola, waren als Europäer auf einmal umgeben von scharfen und leicht bekleideten Frauen und mochten die Idee, eine von ihnen mitnehmen zu können. Manch einer von uns setzte die Idee in dieser Nacht in die Tat um. Ich gebe zu, dass ich oft mit anderen zu den Organisatoren solcher Spritztouren gehört habe. Diese Spritztour von Rio war erlaubt, auch wenn wir drei Tage später gegen Argentinien spielen mussten.
Buenos Aires, 24. März 1982. Ebenfalls ein großer Tag. Es sollte der erste Kontakt mit dem damals schon grandiosen Diego Armando Maradona sein. Auch in diesem Spiel lautete meine Mission, den Spielmacher auszuschalten. Es ist mir gelungen, und ich glaube, Maradona war bis zum damaligen Zeitpunkt noch nie mit so fairen Mitteln neutralisiert worden. Ich war schnell, ich war zweikampfstark, ich hatte ein gutes Tackling und kam ohne grobes Foulspiel aus. Wir haben 1:1 gespielt. Aus dieser Begegnung hat sich vielleicht nicht direkt eine Freundschaft, aber doch eine gesunde und respektvolle Rivalität ergeben zwischen zwei Fußballern, die den Fußball in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren mit prägen würden.
SEX, SKAT UND ZWEI EINWECHSLUNGEN
Ich hatte in der Vorbereitung zur WM 1982 wirklich überzeugt, dennoch fühlte ich mich wie das fünfte Rad am Wagen. Da war ein Breitner, da war ein Rummenigge, da war ein Kaltz, da war ein Hrubesch. Sie galten als gesetzt, egal ob sie gut oder schlecht gespielt hatten. Ich kann mit gutem Gewissen sagen, dass ich ernsthaft trainiert habe, aber bei der Spielerverteilung hatte ich als junger Mönchengladbacher keine Lobby. So gesehen war ich beim falschen Verein. Hätte ich damals schon bei den Bayern gespielt, hätte es sicher anders ausgesehen. Denn die Bayern-Spieler hatten einen ungeheuren Einfluss auf Jupp Derwall. So verfolgte ich das legendäre Kamikazefoul von Toni Schumacher gegen den Franzosen Battiston bloß von der Tribüne aus. Ich verspürte eine gewisse Ungerechtigkeit.
Das Turnier verlief recht erfolgreich, wobei diese WM eher durch die Gelage und die Orgien in Erinnerung blieb und weniger durch den Fußball. Leider. Im Vorfeld zum Turnier waren sogar Trainingseinheiten ausgefallen, weil manche Spieler nicht aus dem Bett kamen. Es wurde nicht getrunken, es wurde gesoffen. Es passierten Dinge, die nicht mal ich in meinem Buch aufschreiben möchte. Jupp Derwall war ein angenehmer Trainer für solche Spieler. Ich will hier keinen reinreiten, aber es waren erfahrene Kollegen, die das alles organisiert hatten. Erwähnt sei nur diese Modenschau im Hotel, die ein paar Spieler dazu nutzten, sich einige Models auf ihren Zimmern ohne die teure Mode am Leib anzuschauen. Bei dieser WM ist all das passiert, was ein Fan von einem Profi eigentlich nicht erwartet. Ich konnte da als
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