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Ganz oder gar nicht (German Edition)

Ganz oder gar nicht (German Edition)

Titel: Ganz oder gar nicht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Häusler , Lothar Matthäus
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standen sehr defensiv, sodass wir die Niederlage in Grenzen halten konnten. Mexiko gewann 2:0. Beim ersten Tor patzte der einzige Gesunde, Uli Stein, bei einer Ecke im Fünfmeterraum – dafür hielt er wenig später einen Elfmeter.
    Die Mexikaner waren glücklich, die Deutschen besiegt zu haben. Wir waren froh, dass es nur 2:0 ausgegangen war. Und jetzt kommt’s, auch wenn mir das keiner glaubt: Nach dem Spiel sind wir zum Flughafen, und mit einem Mal war alles vorbei. Alle Krämpfe, alle Übelkeit, einfach weg. Plötzlich ging es uns allen wieder gut. Als hätte jemand einen Fluch aufgelöst. Vielleicht ist ja doch etwas dran an Montezumas Rache.
    Der Trip war uns eine Lehre. Zur WM ein Jahr später reisten wir vier Wochen vorher mit einem riesigen Betreuerstab an. Wir nahmen sogar ein Labor mit, in dem jeden Tag alles Mögliche kontrolliert und gemessen wurde. Gegen diese deutsche Gründlichkeit hatte Montezuma keine Chance.

MIT HEILERHÄNDEN AUS HOLLAND
    Das große Thema der Weltmeisterschaft in Mexiko 1986 war der Fight zwischen Toni Schumacher und Uli Stein. Franz Beckenbauer hielt an seinem Stammtorhüter Schumacher fest, obwohl Stein im Training und in den wenigen Freundschaftsspielen, in denen er ran durfte, überragend gehalten hatte. Grüppchenbildung war die Folge, München und Hamburg gegen die Kölner. Das gipfelte darin, dass Uli Stein Franz Beckenbauer einen Suppenkasper nannte – und prompt nach Hause geschickt wurde.
    Ich teilte mir acht Wochen lang mit Karl-Heinz Rummenigge ein Zimmer. Das erzähle ich, weil Rummenigge bei großen Turnieren oft mit Verletzungsproblemen beschäftigt war. Er war selten richtig fit und daher eher ein Problemfall. Aber er war der Kapitän, und ich hatte den Eindruck, dass er spielen musste. Möglicherweise weil da Werbeverträge im Hintergrund gestanden haben. In Mexiko ist Karl-Heinz teilweise noch nachts um zwei wegen seines Muskelfaserrisses im Oberschenkel behandelt worden. Aber nicht von unseren Leuten. Wir hatten heimlich Besuch vom Physiotherapeuten der dänischen Nationalmannschaft, einem Holländer namens Richie Smith. Unser Masseur Professor Heini Hess durfte das auf keinen Fall mitbekommen, er wäre zutiefst beleidigt gewesen. Daher traf man sich nachts um zwölf bei uns auf dem Zimmer, und Karl-Heinz wurde stundenlang von den holländischen Wunderhänden behandelt.
    Was war so wundersam an diesen Händen? Smith wendete eine Praktik an, die ich heute für eher fragwürdig halte. Er massierte in die Wunde, in den Muskelfaserriss hinein und betäubte mit seinem Druck den Schmerz. 1987 behandelte mich Smith am Tegernsee mit derselben Methode, daher weiß ich, welche höllischen Schmerzen man dabei erst einmal aushalten muss. Da man den Schmerz anschließend aber nicht mehr spürt, ist man bereit, wieder zu laufen – erhöht meiner Meinung nach jedoch das Risiko, dass sich die Verletzung im Muskel weiter verschlimmert. Was sollte Karl-Heinz machen – er wollte unbedingt spielen, und Smith galt damals als Guru. Also musste er ins Kissen beißen, denn schreien durfte er ja nicht.
    Wir waren in einer alten Hazienda untergebracht, deren Gänge mit dickem Teppich ausgelegt waren. Nach den Heilritualen absolvierte Karl-Heinz darauf mitten in der Nacht Steigerungsläufe. Hin und her, hin und her. Filmreife Szenen waren das. Richtig fit wurde Karl-Heinz nie, war aber zumindest einsatzbereit.
    Es wurde eine lange WM, wir hatten keine überragende Mannschaft und haben uns auch hier wieder ein wenig durchgemogelt bis ins Finale. Ich machte erstmals alle Spiele mit und fühlte mich als Stammspieler pudelwohl. Wir kamen als einer der besten Gruppendritten in die nächste Runde. Normalerweise tritt man als Dritter gegen einen starken Gruppenersten an. Dieses Mal war der dritte Platz unser Glück, denn wir mussten gegen Marokko ran, die nun wirklich keine Übermannschaft waren. Trotzdem geriet das Spiel sehr mühevoll, es war eine Hitzeschlacht. Erst in der 89. Minute erlöste ich uns mit einem Freistoßtor aus 32 Metern. Als ich mir den Ball schnappte und anlief, schaute Karl-Heinz Rummenigge schief, weil er eigentlich schießen wollte. Hätte ich ihn nicht reingemacht, unten rechts mit voller Wucht – er hätte mich sicher umgebracht.
    In der nächsten Runde ging es wieder gegen die Mexikaner. Wir flogen mit einer dunkelgrünen, propellerbetriebenen Militärmaschine des mexikanischen Präsidenten nach Monterrey. Sie war höchst elegant ausgestattet mit

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