Ganz oder gar nicht (German Edition)
Ledersesseln und breiten Tischen, an denen man Karten spielen konnte, die Stewardessen waren bildschön, alles sehr beeindruckend. Aber was nutzt das, wenn man abstürzt? Wir gerieten mit dieser Maschine in einen irrsinnigen Gewittersturm. Es hat uns hin und her geschüttelt. Rechts und links zuckten die Blitze, aber nicht mal eben für fünf Minuten, sondern fast eine halbe Stunde lang. Wir klammerten uns an unsere Sitze. Plötzlich fing Thomas Berthold an zu singen. Ich weiß nicht mehr, was er sang, es war seine Weise, mit der Angst umzugehen.
Dieses Mal waren wir körperlich besser drauf als die Mexikaner. Wir gewannen das Viertelfinale im Elfmeterschießen. Unser bestes Spiel dieser WM machten wir im Anschluss mit dem 2:0 gegen Frankreich, das als amtierender Europameister und mit Platini als Spielmacher als großer Favorit galt. Unsere Strategie war es, genau diesen kleinen Giganten auszuschalten. Franz setzte Wolfgang Rolff auf ihn an. Es begann für uns optimal. Nach neun Minuten gingen wir nach einem Torwartfehler von Joel Bats in Führung. Er ließ einen haltbaren Freistoß von Andy Brehme durch. Danach mussten wir jedoch Schwerstarbeit in der Defensive leisten. Zum Glück machte Toni Schumacher eine großartige Partie, parierte drei, vier hundertprozentige Chancen der überlegenen Franzosen. Er leitete auch das 2:0 durch Rudi Völler in der 90. Minute ein, als ihm ein platzierter Abwurf über den halben Platz gelang. An das Spiel erinnere ich mich aber noch aus einem anderen Grund annähernd jeden Tag: In der ersten Halbzeit bin ich so unglücklich auf meine rechte Hand gefallen, dass ich mir den Mittelhandknochen brach. Weil anschließend nicht operiert wurde, sondern man den Knochen einfach zusammenwachsen ließ, sieht meine rechte Hand bis heute ein wenig, sagen wir, unsymmetrisch aus.
Im Finale, das ich mit einer unauffälligen, hautfarbenen Manschette bestritt, um die Aufmerksamkeit des Gegners nicht allzu sehr auf meine Verletzung zu lenken, trafen wir in Mexiko City auf Argentinien. Die Mannschaft um Diego Maradona hatte bis dahin eine überragende WM gespielt. Die Argentinier sind schnell mit 2:0 in Führung gegangen, durch zwei Standardsituationen konnten wir ausgleichen. Eigentlich waren wir dadurch in einem psychologischen Vorteil, aber dann pennte unsere Abwehr, vor allem Hans-Peter Briegel. Er hob das Abseits auf und ermöglichte dem Argentinier Burruchaga, alleine auf Schumacher zuzulaufen und das Tor zu machen. Und dann der Toni. Hätte er so gehalten wie im Halbfinale gegen Frankreich, wären wir Weltmeister geworden. An einem guten Tag hätte er alle drei Bälle gehabt. Bei der Gesamtleistung konnte ihm aber niemand böse sein. Unterm Strich holten Argentinien und Maradona verdient den Titel.
EIN UNMORALISCHES ANGEBOT
Maradona hat damals schon in Neapel gespielt, ich verdiente mein Geld noch immer in Deutschland. Aber Maradona schätzte mein Fußballspiel so sehr, dass er seinen Club dazu drängte, mich in die Mannschaft zu holen. Tatsächlich entsandte der SSC Neapel Ende 1986 eine Delegation nach München. Mein Manager Norbert Pflippen traf sich mit den Herrschaften an einem Samstagabend im Caminetto, einem italienischen Restaurant im Münchner Stadtteil Solln. Ich hatte ein Auswärtsspiel und stieß später hinzu. Was ich dann erlebte, war filmreif. Dieses Mal jedoch für einen Mafiafilm von Martin Scorsese.
Was man mir an jenem Abend erst einmal anbot, war ein Vertrag bis zur Saison 1989/90, nicht weiter überraschend. Mein Vertrag in München lief aus, dadurch hätte ich eine billige Ablöse gehabt, um nach Neapel zu gehen. Nun war es allerdings in Italien Mode, ausländische Spieler zu blockieren. Was heißt das? »Wenn Sie nach Italien kommen, Signor Matthäus, dann können Sie für einige Jahre nur bei uns spielen.« So etwas hat natürlich seinen Preis. Nicht umsonst hatten die Neapolitaner einen schwarzen Koffer zu ihren Füßen stehen. Sie ließen die Schlösser aufspringen, und es offenbarte sich mir eine Million Mark in cash. Ich hätte noch an diesem Abend einen Vertrag unterzeichnen, den Koffer nehmen, im Sommer 1987 bei Neapel beginnen und dort bis 1990 spielen können.
Aber jetzt kommt’s: Hätte ich den Vertrag unterschrieben, hätte ich nicht zwingend zu Neapel wechseln müssen. Ich hätte die Million aus dem Koffer gehabt und lediglich die Bedingung erfüllen müssen, in den nächsten drei Jahren zu keinem anderen italienischen Verein zu wechseln. So ist damals
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