Ganz oder gar nicht (German Edition)
in Italien Personalpolitik gemacht worden. Man hat Spieler nicht dafür bezahlt, dass sie für eine Mannschaft spielen, sondern dafür, dass sie nicht für die Konkurrenz spielen. Nur wenige Monate zuvor war mir Ähnliches mit dem AC Mailand passiert – mit dem Unterschied, dass die Herren aus Italien keinen Koffer zu den Verhandlungen in die Villa des damaligen Bayern-Präsidenten Willi O. Hoffmann mitgebracht hatten, sondern mir die Summe von 500000 Mark direkt in den Vertrag hineinschreiben wollten.
Beim Anblick des neapolitanischen Koffers sind bei mir die Alarmglocken angegangen. Ich habe sofort an die Mafia gedacht und den Deal samt dem womöglich schmutzigen Geld abgelehnt. Auch wenn es kein Mafiageld gewesen wäre, hätte ich den Koffer nicht mit nach Hause genommen. Das war mit meiner Moral nicht zu vereinbaren. Ich wollte nicht käuflich und damit unfrei sein.
Beim FC Bayern München habe ich ein Viertel dessen verdient, was in dem Koffer war. Doch wenig später einigte ich mich mit Uli Hoeneß bei einem Asientrip auf der Insel Macao vor Hongkong in einer Rikscha per Handschlag auf eine Vertragsverlängerung um weitere zwei Jahre. Jahresgehalt, zack – binnen zwei Minuten war die Sache erledigt. Ich habe nicht verhandelt, weil ich wusste, dass Uli die Qualität eines Spielers erkennt und ein faires Angebot macht.
Das Geld stand bei mir nie im Vordergrund. Ich hatte schon Anfang der achtziger Jahre ein Angebot von Juventus Turin ausgeschlagen, wo ich das Zwanzigfache meines Mönchengladbacher Gehalts hätte verdienen können. Bei Hellas Verona hätte ich 1981 das Vierzehnfache verdienen können. Aber ich blieb.
EIN KAPITÄN AM PRANGER
Die Saison 1986/87 war die letzte mit Udo Lattek als Trainer. Mit nur einer Niederlage holten wir souverän unsere zehnte deutsche Meisterschaft – und standen im Finale der Landesmeister, der heutigen Champions League. Als großer Favorit reisten wir nach Wien, um die Mannschaft aus Porto abzufertigen. Es ging auch gut los. 1:0 für uns. Weil Porto keinen großen Widerstand leistete, sahen wir uns schon auf der Siegerstraße, und das sollte man niemals tun. Udo Lattek gab hinterher auch zu, dass er die Halbzeitpause nicht dazu genutzt habe, um uns wachzurütteln. Er hat sich mit uns einlullen lassen. Mit der Konsequenz, dass wir den in der zweiten Halbzeit offensiver agierenden Portugiesen nichts entgegenzusetzen hatten und wie aus dem Nichts zwei Tore fingen. Wir haben uns ergeben, es folgte kein Aufbäumen. Es war eine ganz bittere, weil überflüssige Niederlage.
Danach hat mich die Presse an den Pranger gestellt und mir vorgeworfen, in den wichtigen Spielen nicht die Verantwortung zu übernehmen, die man von einem Kapitän erwarten müsste. Auch aus dem eigenen Team gab es Kritik, man nannte mich öffentlich einen Versager. Aber hatten die Kritiker nicht auch mitgespielt? Ich erinnere mich, wie Dieter Hoeneß nach dem Spiel in die Mikrofone sagte: »Jetzt haben wir gesehen, wie wichtig er ist!« Wo war denn Hoeneß in diesem Spiel? Ich habe diese Frage damals nicht gestellt. Wenn ich selbst mit meiner Leistung nicht im Reinen bin, welches Recht nehmen sich solche Spieler heraus, auf andere zu zeigen? Ich habe gelernt, dass drei Finger auf mich selber deuten, wenn ich auf jemand anderen zeige. Das geht nicht. Das gehört nicht in den Mannschaftssport.
Das Schöne an 1987: Franz Beckenbauer berief mich zum ersten Mal in meiner Karriere zum Kapitän der Nationalelf. Nachdem der etatmäßige Chef Klaus Allofs ausgefallen war, kam ich in einem Freundschaftsspiel gegen Israel zu der Ehre. Die Begegnung in Tel Aviv war eine politisch sehr wichtige. Der DFB wollte den Israelis die Möglichkeit geben, der UEFA zu zeigen, dass sie – auch wenn sie geografisch nicht zu Europa gehören – in Europa die einzige Möglichkeit hätten, fußballerisch nach vorne zu kommen. Das Sportliche – unser 2:0 – war zweitrangig. Es ging darum, zu helfen und zu demonstrieren, dass Israel zu uns gehört. Sieben Jahre später ging der Wunsch in Erfüllung, das Land zwischen Mittelmeer und Jordan wurde Teil der UEFA-Zone.
Das Jahr 1987 stand auch im Zeichen eines Enthüllungsbuchs. Mein Freund Toni Schumacher hatte auf seine noch junge Karriere zurückgeblickt und seine Erinnerungen »Anpfiff« genannt. Obwohl die Biografie hohe Wellen schlug und Toni sowohl aus der Nationalelf verbannt als auch vom 1. FC Köln suspendiert wurde, gebe ich zu, sie nie gelesen zu haben. Es war
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