Ganz oder gar nicht (German Edition)
darin auch um Doping in der Bundesliga und in der Nationalmannschaft gegangen. Gerade in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre sollen breite Teile des Profilagers vor allem mit dem Medikament Captagon stimuliert worden sein. Wenn es wirklich so gewesen sein sollte, muss ich blind gewesen sein. Denn weder wurde mir dieses Zeug angeboten, noch habe ich irgendjemanden dabei beobachten können, wie er es zu sich nahm. Im Übrigen hatte ich nie das Gefühl, mich dopen zu müssen, weil ich mich immer stark genug gefühlt habe.
Natürlich habe auch ich bei der Nationalmannschaft Spritzen bekommen. Aber soweit ich weiß, waren das Vitaminspritzen oder Magnesiumspritzen gegen die Müdigkeit und für eine schnellere Erholung. Ich hatte volles Vertrauen zu den Ärzten, die mich behandelten. Wenn Toni Schumacher etwas Derartiges mitbekommen haben will, heißt das ja nicht, dass jeder andere dasselbe erlebt haben muss. Ich will nicht sagen, dass er mit seinen Behauptungen komplett unrecht gehabt hat, aber wenn sich einer wie Toni entscheidet, darüber zu schreiben, dann muss er das Kind auch beim Namen nennen. Das hat er aber nicht. Ich bin davon überzeugt, dass beim DFB niemals Medikamente benutzt worden sind, die mit Doping zu tun haben. Das kann sich ein Verband wie der DFB gar nicht leisten und auch nicht die Ärzte, die dort arbeiten. Vielleicht bin ich naiv, aber für mich war und ist der Fußball immer ein sauberer Sport.
DER ERSTE ABSCHIED AUS MÜNCHEN
Für mich wurde es Zeit, München Servus zu sagen, auch wenn ich ein Jahr zuvor zu der italienischen Verlockung noch nein gesagt hatte. Es stellte sich heraus, wer auf Udo Lattek folgen würde: Jupp Heynckes. Obwohl mit ihm ein alter Bekannter zum Verein stieß, hatte ich nicht das Gefühl, dass er mich so schätzte, wie es Lattek getan hatte. Möglicherweise hatte er auch noch das misslungene Elfmeterschießen von 1984 im Kopf. Man kannte sich, man arbeitete wieder miteinander, aber irgendetwas störte. Die Saison ist dann auch prompt nicht so verlaufen wie erhofft. Ich erzielte zwar siebzehn Tore, die reichten aber nur zum zweiten Platz.
Also ließ ich mich auf Verhandlungen mit Giovanni Trapattoni ein. Zwei, drei Mal besuchte mich der Trainer von Inter Mailand in München, er kämpfte um mich. Und er kam ohne dubiosen Geldkoffer, ohne merkwürdige Bedingungen, nur mit einem ganz normalen Vertrag, wie ich ihn aus Deutschland kannte.
Währenddessen arbeitete man in München an einem personellen Schnitt. Jüngere Spieler wie Stefan Reuter, Roland Grahammer oder Olaf Thon wurden verpflichtet. Spieler, die um die dreißig waren, wurden aussortiert. Es war für beide Seiten ein idealer Moment, sich zu verabschieden, gleichzeitig aber auch auf eine gemeinsame erfolgreiche Zeit mit drei Meistertiteln zurückzublicken.
DER BREHME-TRANSFER UND ICH
Nachdem Trap und ich uns einig waren, dass wir nach der Europameisterschaft zusammenarbeiten würden, war es die Aufgabe Norbert Pflippens, die Sache mit den Bayern auf den Weg zu bringen. Der neue Vertrag brachte mir das Dreifache meines Münchner Salärs. Aber ich sollte nicht alleine nach Italien gehen. Ich rief Paolo Giuliani an, den damaligen Generaldirektor von Inter: »Hör zu, wir könnten einen sehr guten Spieler für ganz wenig Geld nach Italien holen. Andreas Brehme. Kostet unter einer Million.« »Kenne ich nicht«, sagte er. Ich erklärte ihm, wie vielseitig verwendbar Brehme sei, dass er rechts wie links könne. »Ja, ist gut«, meinte Giuliani, »wir beobachten ihn.«
Wenig später stand mein letztes Meisterschaftsspiel mit Bayern München auf dem Plan – gegen Bayer Leverkusen. Tatsächlich hatte sich ein Scout von Inter Mailand ins Ulrich-Haberland-Stadion bemüht, um Andy Brehme unter die Lupe zu nehmen. Er sah eine sehr unterhaltsame Begegnung, nach einem 0:3-Rückstand gewannen wir 4:3. Am Tag darauf bekam ich einen Anruf aus Italien: »Hat dieser Andreas Brehme überhaupt mitgespielt?« Um Gottes willen, was für eine furchtbare Frage. »Ja«, antwortete ich zögerlich, »der hat mitgespielt.« »Er ist unseren Leuten aber nicht aufgefallen.« »Er trug die Nummer 6«, sagte ich wie zur Bestätigung und wiederholte meinen Appell: »Glaubt mir, ihr müsst ihn kaufen!«
Warum setzte ich mich so für ihn ein, wo wir uns doch nicht einmal freundschaftlich verbunden gewesen sind? Ganz einfach: Auch Andy, fast genauso alt wie ich, war unzufrieden beim FC Bayern. Ich wusste, dass er ein super Spieler ist und
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