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Ganz oder gar nicht (German Edition)

Ganz oder gar nicht (German Edition)

Titel: Ganz oder gar nicht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Häusler , Lothar Matthäus
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uns in Mailand würde helfen können. Außerdem war es für mich angenehmer, wenn noch ein weiterer Deutscher im Team sein würde.
    Trotz des Missverständnisses von Leverkusen nahm Inter Mailand Kontakt auf zu Brehme und den Bayern – sie holten ihn, wenn ich mich richtig erinnere, für 800000 oder 900000 Mark. Damit kauften die Italiener einen totalen Nobody – zumindest südlich der Alpen war er das. Aber wer schoss später das erste Tor bei der EM gegen Italien? Andreas Brehme. Es war der Ausgleich zum 1:1. So wurde er vor Amtsantritt bei seinem neuen Club doch noch in Italien bekannt – und in unserer ersten Saison zum besten Spieler Italiens gewählt.

DIE BEL-AMI-AFFÄRE
    Zur Vorbereitung auf die EM 1988 im eigenen Land hatte der DFB zu einem Osterturnier in Berlin geladen. Wir erwarteten Besuch von den Teams aus Argentinien, Schweden und Russland. Es war ein politisches Turnier, das nur deshalb zustande gekommen war, weil die Sowjetunion und die DDR den DFB dazu gedrängt hatten, bei der bevorstehenden EM auf einen Spielort Berlin zu verzichten. Das Vier-Länder-Turnier war als vorweggenommene Wiedergutmachung für die Berliner zu verstehen.
    Diese Episode erzähle ich nur, weil sich zwischen den Fußballspielen Kurioses zutrug. Denn nach der ersten Partie, die wir im Elfmeterschießen gegen Schweden verloren, machten sich einige Spieler auf ins Berliner Nachtleben. Es fing damit an, dass wir in der Sportschule Wannsee kegelten und es gegen halb zwölf ziemlich langweilig wurde. Es fanden sich fünf Spieler, die dieser tristen Bohnerwachs-Spießigkeit ein Ende setzen wollten. Wir organisierten uns einen Opel, zwei Mann saßen vorne, drei hinten. Wir trugen schwarze Freizeitanzüge mit dem DFB-Emblem auf der Brust. Ich meinte noch: »Hey, sollten wir uns nicht eben noch umziehen? Guckt mal, wie wir aussehen hier mit dem Wappen. So auffällig.« »Ach was«, meinten die anderen, »uns erkennt doch sowieso jeder.« Na gut. Wir also los und rein in jeden besseren Laden Westberlins – von der Edel-Disco, über die Currywurst-Bude bis hin zum Bel Ami, einem gepflegten Bordell in der Nähe des Olympiastadions. Wir ließen uns ein paar Stunden in der Lounge nieder, tranken flaschenweise Champagner mit den »Damen«, und nicht allen reichte es aus, den Abend nur im Sessel zu verbringen. Letztlich kamen wir auf eine Rechnung von ein paar Tausend Mark. Wir hatten kein Bargeld dabei, also musste ich einspringen und alles mit meiner Kreditkarte zahlen. Wunderbar, bis hierhin alles kein Problem. Doch wir hatten nicht bemerkt, dass wir vor dem Bel Ami gesehen worden waren – von irgendeinem Denunzianten.
    Gegen sechs Uhr in der Früh parkten wir den vom Hausmeister geliehenen Wagen wieder vor dem Quartier. Wir legten uns noch zwei, drei Stündchen hin, um bei der Mannschaftssitzung um elf Uhr wenigstens halbwegs fit zu sein. Nichts Böses ahnend saßen wir wie immer in U-Form um ein paar Tische, als Franz auf uns losging. Ich korrigiere: als er auf mich losging. »Du bist immer dabei!«, schrie er. »Du musst endlich mal dein Hirn einschalten!« Er benutzte alle ihm bekannten Schimpfwörter, das war wirklich vom Allerfeinsten. Und jetzt kommt’s: Er war nicht sauer, dass wir in diesem Laden waren. Er fand es unmöglich, dass wir mit dem DFB-Anzug dort eingekehrt sind! Hätte ich mich doch durchgesetzt! Einen Tag später spielten wir gegen Argentinien und gewannen 1:0 durch mein einziges Kopfballtor in der Nationalmannschaft – dank Vorlage von Rudi. Unsere Art der Wiedergutmachung. Damit sicherten wir uns den dritten Platz. Die Schweden gewannen das Turnier durch einen 2:0-Finalsieg gegen die Russen.

DAS VERTRAUEN DES KAISERS
    Franz Beckenbauer hat mich immer kritischer beäugt als andere. Nicht etwa, weil er in mir einen unberechenbaren Faktor sah. Im Gegenteil. Er wusste, welche Expertise, welches Vertrauen, welche Ehrlichkeit er von mir als seinem Wunschkapitän erwarten konnte. Er sah mich als seinen verlängerten Arm auf dem Platz und sagte mir oft: »Lothar, wenn du siehst, dass im Spiel etwas falsch läuft und geändert werden muss, dann ändere es! Frag mich nicht!«
    Franz hat immer intensiven Kontakt zu mir gesucht. In ungezählten Vieraugengesprächen deklinierten wir die Begegnungen des nächsten Tages durch. Er und ich alleine auf seinem Zimmer, eine Viertelstunde vor dem Abendessen. Franz sagt bis heute: »Nur dumme Menschen ändern ihre Meinung nicht.« Und er hat oft seine Meinung geändert

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