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Ganz oder gar nicht (German Edition)

Ganz oder gar nicht (German Edition)

Titel: Ganz oder gar nicht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Häusler , Lothar Matthäus
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sein. Wir haben einen unterschriebenen Vertrag.«
    Am nächsten Tag fand ich heraus, dass die Türken tatsächlich Del Bosque verpflichtet hatten, trotz der Einigung mit mir. Ich gab den Vertrag einem angesehenen deutschen Anwalt zur Prüfung. Er meinte, dass eigentlich alles stimmen würde, es gäbe allerdings einen großen Haken. Und dieser Haken machte den Vertrag leider maximal kaminreif. Der Vertrag trug nicht die Unterschrift des aktuellen Präsidenten, sondern die des werdenden Präsidenten, also einer Privatperson. Yildirim Demirören war zu dem Zeitpunkt noch nicht Präsident, sondern stand kurz vor den Wahlen. Während meiner Reise hatte er diese Wahlen auch gewonnen, war in der Trainerfrage aber wohl umgeschwenkt. Da die UEFA in diesem Falle nicht einschreiten könne, sondern nur ein Gericht in Istanbul, riet mir mein Anwalt ab, dagegen vorzugehen. »Schmeißen Sie den Vertrag ins Feuer und vergessen Sie die Sache am besten ganz schnell.« Deutliche Worte. So wird gearbeitet im Fußball. Ich musste lernen, dass Verträge dazu da sind, um gebrochen zu werden. Freue dich nicht, wenn ein Vertrag unterschrieben ist, freue dich erst, wenn du ihn erfüllen darfst! Die Krönung: Besiktas führte sogar noch das Trainingslager durch, das ich schon organisiert hatte.
    Also ging meine Zeit in Ungarn weiter. Wir spielten die Qualifikation für die WM 2006 in Deutschland. Wir erwischten mit unseren jungen und unerfahrenen Nachwuchsspielern eine Gruppe aus drei schweren Gegnern (Schweden, Bulgarien, Kroatien) sowie zwei leichten Gegnern (Island und Malta). Gegen Island und Malta gewannen wir alle vier Spiele, gegen die anderen schafften wir zwei Unentschieden. Man hätte kaum mehr erwarten können. Mit 14 Punkten landeten wir auf dem vierten Platz. Wir waren auf einem guten Weg. Der ungarische Fußball hatte einen neuen Schub erfahren, die Leute sind wieder ins Stadion geströmt, Sponsoren haben sich wieder interessiert, die Spieler entwickelten sich, bis heute bilden sie das Gerüst der Nationalmannschaft.
    Mein eigentliches Ziel: die WM 2010 in Südafrika. Mit professioneller Arbeit hätte es die Mannschaft ganz sicher erreichen können. Aber was passierte? Obwohl es für meinen Folgevertrag für weitere zwei Jahre bereits vom alten Präsidenten eine Zusage gab, installierte der neu gewählte Präsident den Holländer Erwin Koeman auf dem Trainerposten. Der Präsident brachte eigene Sponsoren mit, er hatte sich möglicherweise an meinem guten Verhältnis zum scheidenden Präsidenten gestört. Im Januar 2006 räumte ich meinen Posten. Meine Nachfolger schafften weder die Qualifikation für die EM 2008 noch für die WM 2010.

MEIN GRÖSSTER FEHLER
    Das hatte es noch nie gegeben: Ein Europäer trainiert eine Mannschaft in der brasilianischen Meisterschaft! Das Angebot für den Job beim Clube Atlético Paranaense erreichte mich über meine damalige Agentur Stellar in England, bei der mein türkischer Freund Ertan aus Nürnberg arbeitete.
    Anfang Januar 2006 flog ich für drei Tage nach Curitiba, eine europäisch orientierte Zweimillionenmetropole im Südwesten des Landes, vor 180 Jahren von Deutschen, Polen und Italienern gegründet und Heimat meines zukünftigen Vereins. Mir ging es darum, die Lage zu sondieren, meine künftigen Arbeitgeber zu treffen und vertragliche Details zu besprechen. Ich hatte ein gutes Gefühl. Ich würde nicht nur irgendein neues Land kennenlernen, sondern gewissermaßen an der Wiege vieler großer Fußballer arbeiten. Die Mannschaft war in einer super Verfassung, sie pendelte verlässlich zwischen den Plätzen vier bis sechs. Die Spieler waren lernwillig, der Verein war toll aufgestellt, es gab ein modernes Stadion, ein ordentliches Budget und vor allem mit Mario Petraglia einen Präsidenten, der ein Gentleman und Ehrenmann war. Er konnte zwar kein Englisch, sodass wir immer einen Dolmetscher benötigten, aber es war Liebe auf den ersten Blick. Schon auf dem Rückflug war die Sache für mich klar. Ich hatte mit Marijana das brasilianische Szenario zwar gedanklich schon durchgespielt, wollte alles aber doch noch einmal endgültig mit ihr diskutieren.
    Mir war klar, dass mein Engagement in Brasilien nur funktionieren würde, sofern ich es schaffte, mit meiner Ehefrau Marijana eine Absprache zu treffen. »Ich kann nur unterschreiben, wenn ich weiß, wie es mit unserer Ehe weitergeht«, sagte ich ihr. Weil Marijana eine berufstätige Frau war und sich als Familienmensch weiterhin sehr um ihre

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