Ganz oder gar nicht (German Edition)
vielleicht sagen, es hätte an unseren Streitigkeiten gelegen. Aber woher kamen die denn? Marijanas Unruhe hörte nicht auf. Auch nicht in Salzburg, wohin ich vier Monate später als Trainer wechselte. Ständig musste sie woanders sein. Marijana jettete durch sechs Länder in Europa, die Kinder lebten in Internaten in Genf und in London. Beruflich wollte sie auf zu vielen Hochzeiten tanzen, für ihr Modegeschäft musste sie in Italien einkaufen, ihre Eltern waren nach wie vor in Belgrad, ihre Freunde lebten in Budapest und in halb Europa. So funktionierte das nicht. Wir hatten ein schönes Zuhause, aber Marijana fand keine Wurzeln. Das war unser Verhängnis. Sie hatte sich hoffnungslos in ihren tausend Wegen verzettelt.
Solange wir ihren Weg gingen, war alles in Ordnung. Gingen wir meinen Weg, war das Klagen groß. »Unsere Ehe ist mehr als stark gefährdet«, sagte ich ihr. »Wir verlieren uns!« Aber es hat nicht aufgehört. Sie wollte ihr Leben zu hundert Prozent behalten. Immer das Schöne meines Lebens mitnehmen, sich aber aus dem Tagesgeschäft verabschieden, das funktioniert nicht. Ich will mit meinem Partner auch den Schatten teilen und nicht nur die Sonne.
Man kann ja einem Menschen nicht vorwerfen, dass er sich passioniert um seine Familie kümmert. Aber so wie Marijana den Aktionsradius für ihre Familie definierte, spielte ich darin keine Rolle mehr. Der entscheidende Schritt, den sie unternahm, war, dass sie mit ihrer Freundin und den Kindern Sommerurlaub in St. Tropez machte. Mein Sohn und ich waren nicht willkommen, obwohl ich durch die Beurlaubung in Salzburg die Gelegenheit gehabt hätte, dabei zu sein. Das Haus wäre jedenfalls groß genug gewesen.
Wir sahen uns immer seltener, es gab keinen weiteren gemeinsamen Urlaub, jeder ging seinen Weg. Beim Oktoberfest verguckte ich mich dann in Liliana. Schön war es sicher nicht, dass Marijana zuerst aus der Presse von meiner neuen Bekanntschaft erfuhr. Ich legte die Karten auf den Tisch. Wir lebten vier weitere Monate unter einem Dach, Marijana versuchte noch einmal einen Neustart, aber ich konnte nicht mehr, ich wollte nicht mehr, ich bat sie um die Scheidung.
Es gibt Regeln im Leben. Das habe ich schon als Kind beim Fußball gelernt. Und an diese Regeln hält man sich. Dazu zähle ich nicht, unbedingt die vorgeschriebenen achtzig Stundenkilometer zu fahren bei trockener Fahrbahn auf der Autobahn. Ich rede von Absprachen. Ich rede von genau solchen Kompromissen, die man in Beziehungen treffen muss. Ich habe auch in einer Zeit, in der ich mich vernachlässigt gefühlt habe, immer zu meinem Partner gestanden. Diese Hingabe in einer Beziehung wurde leider selten wertgeschätzt. Vielleicht sollte ich lernen, nicht mit zu viel Vertrauen in meine Beziehungen zu gehen. Aber ich bin nun mal so. Ich gebe gerne, und ich verzeihe gerne.
DANN STAND DA TRAP IN KURZEN HOSEN
In der Saison 2005/06 kam es beim österreichischen Traditionsverein SV Austria Salzburg zu einem Riesenaufstand, weil der marode Club durch Red Bull übernommen wurde. Man gab sein Herz und seine Vergangenheit an einen Getränkehersteller, indem man ihm die Lizenz überließ. Die in Red Bull Salzburg umbenannte Austria wurde dadurch zwar finanziell saniert, ein Großteil der Fans stimmte jedoch mit der Politik der Geschichtsvernichtung des neuen Eigentümers – neuer Vereinsname, neue Trikotfarben – nicht überein.
Die Traditionalisten verließen ihre sportliche Heimat, gründeten sich neu und mussten in ihren violetten Trikots wieder in der untersten Klasse von null anfangen. Der neu entstandene Verein Red Bull Salzburg präsentierte sich in den neuen Farben Rot-Weiß. Softdrink-Hersteller und Milliardär Dietrich Mateschitz hatte sich mal eben ins Fußballgeschäft eingekauft.
Mateschitz ist ein besessener Geschäftsmann, der seine Marke bereits weitblickend im Motorsport und im Wintersport platziert hatte. Nun also auch der Massensport Fußball. Sein Manko ist, dass es ihm nicht zwingend um den ersten, zweiten oder dritten Platz geht, sondern darum, dass die Dose im Vordergrund stehen muss. Viele Fußballsachkundige hatte er bisher nicht um sich herum. Daher wurde Franz Beckenbauer zu seinem Berater. Zwei Monate nach meiner Rückkehr aus Brasilien lag mir ein Angebot von Red Bull Salzburg vor, Franz hatte ein wenig vermittelt. Wir vereinbarten Außergewöhnliches: Ich sollte die komplette Betreuung der Profimannschaft übernehmen und Einfluss auf den Nachwuchsbereich haben. Ich
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