Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ganz oder gar nicht (German Edition)

Ganz oder gar nicht (German Edition)

Titel: Ganz oder gar nicht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Häusler , Lothar Matthäus
Vom Netzwerk:
trainierten die Teams im Nationalstadion. Die Brasilianer von fünf bis sechs Uhr, wir von sechs bis sieben Uhr. Wir fuhren mit dem Bus zum Stadion, und ich traute meinen Augen kaum: Da kamen uns massenweise Menschen entgegen. Nicht zehn, nicht hundert. Tausende! 27000 Ungarn hatten den Brasilianern beim Training zugeschaut. Hätten wir nur fünf Euro für die Trainingseinheit verlangt, hätte das der Fan sicher auch bezahlt.
    Das Spiel ging 1:4 verloren, wobei ich sagen muss, dass das Spiel auch 5:8 zugunsten der Brasilianer hätte ausgehen können. Es war ein sehr offenes Match, in dem wir die ersten Torchancen hatten. Dann zogen die Brasilianer mal für zwanzig Minuten an und machten gleich drei Tore. Aber der ungarische Zuschauer applaudierte nach der Niederlage. Weil er gemerkt hat, dass sich diese junge Mannschaft angestrengt hat. Es war also Substanz da. Deshalb wollte ich meine Mannschaft auch nur gegen die Stärksten spielen lassen. Vielleicht, denke ich mir heute, hatte mein Wunsch, als David gegen sämtliche Goliaths anzutreten, mit meiner alten Prägung zu tun, es als viel zu kleiner Kerl den Größeren und Älteren zu zeigen.
    Die Brasilianer sollten das Land nicht ohne einen Eindruck der ungarischen Lebenslust verlassen. Wir beschlossen das Gipfeltreffen mit einer rauschenden Party in einer Budapester Disco. Ein Freund hatte sie angemietet und hundert Frauen eingeladen. Als ich dort eintraf, kamen mir schon die ersten Brasilianer mit zwei Mädels im Arm entgegen. Im Nachhinein hörte ich, dass Kaká & Co. gerne wieder in Ungarn spielen würden …
    Auch eigene Spieler nutzten die Gelegenheit, wenn es um nette Mädels ging. Wir nahmen am Kings Cup teil, einem vorweihnachtlichen Turnier in Bangkok. Unsere Leistungen waren gut, wir gewannen das Spiel um Platz drei mit 5:0 gegen Estland und hatten danach – wegen billigerer Flugtarife – noch zwei Tage in Bangkok zu überbrücken. Jetzt hatte mich der thailändische Verband gebeten, zwischen dem Spiel um den dritten Platz und dem Finale im Stadion mit zwei einheimischen Trainern eine halbe Stunde lang ein paar Ballübungen für Kinder zu leiten. Für diese kleine Fußballdemonstration erhielt ich 5000 Dollar Honorar. Nach dem Turnier besorgte ich mir im Hotel 25 Kuverts, verteilte mein Honorar mit je 200 Dollar auf die Umschläge und händigte sie jedem Spieler und den Masseuren nach dem Abendessen als kleines Weihnachtsgeld aus. Damit könnten sie ihren Familien vielleicht noch ein paar Geschenke kaufen, dachte ich mir. Für die meisten Spieler war es jedoch die erste Flugreise überhaupt, sie entdeckten die große, weite Welt. Dankbar nahmen sie die 200 Dollar und wurden zwei Tage lang nicht mehr gesehen. Sagen wir’s so: Ihre Reiseroute orientierte sich eher entlang der Badehäuser …

WUNDER VON BERN RELOADED
    Natürlich musste ich mit meinen Ungarn auch die deutsche Nationalmannschaft herausfordern. Bevor es dazu kommen konnte, reisten wir zu einem Freundschaftsspiel nach China. Der gesamte Spielerkader quetschte sich zwölf Stunden und ohne Meckern in Economy-Sitze. In Peking angekommen bezogen wir das Hotel, und wegen der Reisestrapazen kündigte ich noch ein leichtes Auslaufen an. Wir quälten uns eine Stunde lang zum Trainingsgelände. Auf der Rückfahrt zum Hotel erfuhren wir, dass das Spiel nicht in Peking stattfinden würde, sondern an einem anderen Ort, der vier Busstunden entfernt war. Das sagten uns die Chinesen ja früh! Wieder ohne Meckerei erduldeten meine Spieler die Bustour, die wir noch am gleichen Abend antraten. Mein Team war großartig. Es machte Dinge mit, über die sich in Deutschland jeder Fünftligist beschweren würde.
    Das Spiel am nächsten Tag verloren wir mit 1:2 nach klarem Betrug durch den chinesischen Schiedsrichter. Er pfiff uns in der 92. Minute noch einen Elfmeter rein, nachdem ein chinesischer Spieler ohne jede Berührung im Sechzehnmeterraum umgefallen war. Den Pokal für den zweiten Platz habe ich nicht angenommen. Ich lasse mich nicht verarschen, auch nicht von einem Chinesen.
    Ich winkte meine Mannschaft sofort in die Kabine. Die nachfolgende Pressekonferenz war die kürzeste, die ich je bestritten habe. Es waren zwar hundert Journalisten und dreißig Kameras da, aber ich beantwortete nur zwei Fragen und verließ das Podium. Wieder ohne den Pokal, den die Chinesen mir neben das Mikrofon gestellt hatten.
    Wir machten uns also – gerädert und frustriert – wieder nach Frankfurt auf und von dort

Weitere Kostenlose Bücher