Garantiert wechselhaft
mich auf ein Schweißtuch zu sticken.
«Jetzt halt doch bitte mal a Sekunde still», herrschte Rosi mich an. «Zaubern kann ich fei aa ned!»
Es war zehn Uhr morgens, wir standen im Saal, und sie war dabei, den Saum meines linken Ärmels neu abzustecken. «Ich bin ganz ruhig», versprach ich. Aber ruhig ging anders. Ruhig war etwas für Leute, die hauptberuflich Flöhe dressierten. Oder tollwütige Tiger.
Ich hingegen hatte in Rekordzeit ein Mode-Label aus dem Boden gestampft: Zwiebellook . Gut, einiges war durch LindnerVisions bereits vorbereitet gewesen, als ich mir mein Projekt zurückgeholt hatte. Aber seitdem musste ich schnell sein. Und diskret. Denn sollte Volker Wind von meinen Plänen bekommen, würde er versuchen, mir einen fetten Strich durch die Rechnung zu machen.
Noch checkte er laut Elke nichts, und ich betete, dass die morgige Modenschau nur vor den achtundsiebzig Einkäufern über die Bühne ging – ohne meinen Ex.
Danach konnte er alles in Ruhe in den Fachzeitungen nachlesen und sich die fertigen Modelle auf meiner neuen Homepage anschauen, die morgen zeitgleich zur Show online gehen würde. Ein Internetauftritt, der meinen Vorstellungen entsprach und die Philosophie von Zwiebellook ausdrückte: schicke, aber bequeme Mode in wunderschönen Farben, aus hochwertigen Stoffen, mit einem klaren Design. Für Frauen, die ihren Weg gefunden hatten.
Auch farblich hatte ich die Homepage der Kollektion angeglichen. Silber-, Blau- und Türkistöne dominierten, ergänzt von den warmen Kontrastfarben, wie wir sie bei den Accessoires eingesetzt hatten.
«Nina! Schau amol schnell!» Automatisch drehte ich mich um und schrie laut auf, weil Rosi mit der Nadel mein Handgelenk erwischt hatte.
«Was hab ich g’sagt?», zischte sie.
Ich holte tief Luft und versuchte, an einen einsamen Strand zu denken. Weit und breit kein Mensch, nur das leise Plätschern der Wellen, der blaue Himmel, die Sonne und …
«Gefällt’ s dir wohl ned?» Gustl ließ nicht locker, und ich sah Rosi entschuldigend an. «Kann ich mal kurz?»
Sie nickte stumm, und ich ging an unserem neuen Catwalk entlang zur Bühne, wo Gustl schon seit Tagen das Hintergrundbild für unsere Präsentation schuf. Das war mein Dank für die Tapetenabreiß-Aktion. Statt der schrecklichen Jagdszene prangte nun das Abbild unseres Tals an der Wand, komplett mit Bach und Enten.
«Natürlich gefällt mir das», sagte ich. «Sieht richtig toll aus.»
Gustl sprang schwerfällig vom Podium und stellte sich neben mich. «Ich hab’s etzt da hinten doch noch amol schneien lassen», sagte er. «Oder meinst, ohne Schnee schaut der Berg schöner aus?»
«Ohne Schnee war’s besser», bemerkte Leni, die auf einer hohen Leiter mit der Aufhängevorrichtung des Vorhangs kämpfte. «Und da vorn, da brauch mer noch Blumen auf der Wiese.»
Gustl kratzte sich verunsichert den kahlen Kopf. «Ich waaß fei ned …»
«Meinetwegen malst Ostereier nei», brummte Leni. «Aber wehe, du bringst a Farbb an den Vorhang. Dann flibb ich aus!»
Dieser Vorschlag gab Gustl den Rest. «Ostereier?» Er sah mich mit großen Augen an.
«Ich finde deinen Schnee großartig. Und ob dir nach Blumen ist, kannst du selbst entscheiden. Du bist hier der große Künstler.» Ich schickte einen warnenden Blick zu Leni hinauf und hoffte, sie würde jetzt die Klappe halten. Am Ende schlug sie noch vor, den Nikolaus über den Gipfel schauen zu lassen, und Porträts hatte Gustl bekanntlich nicht so drauf.
Ich ging wieder zu Rosi zurück und ließ abstecken, was abzustecken war, bis Ernst in den Saal kam.
«Delefon!» Er drückte mir das Mobilteil in die Hand. «Ich bräucht dich nachher amol in der Küch!», flüsterte er mir noch zu.
Ich nickte und meldete mich.
«Grüß Godd, die Druggerei Zoller am Abbarat. Frau Lindner, mir hamm da a weng a Broblem …»
Jetzt wusste ich endlich, was mir heute bisher gefehlt hatte. «Und was ist das für ein Problem, Herr Zoller?»
«Die Maschin spinnt.»
Aha.
«Ja, die Falzmaschin hat middndrin den Geist aufgeben und ich griech heut schlecht an Mondeur, wissens.»
Ich spürte, wie auch ich gleich gefährlich zu spinnen anfangen würde.
«Und welche Auswirkungen hat das auf meine Broschüre?»
«Na ja, wie soll ich sag’n … fünf Stück sind kombledd, aber ’s könnt scho sein, dass mer die restlichen hundertfünfundneunzig ned rechtzeitig fertig krieg’n. Von dene Hüll’n, wo Bressemabbe draufsteht, red ich erst gar ned.»
Ich schloss die
Weitere Kostenlose Bücher