Garten des Lebens
Mal sehen. “Er ist tot, oder?”
Vivian nickte. “Aber manchmal besucht er mich.”
“Ich verstehe.”
Vivian hatte sich noch nicht vielen Menschen anvertraut und dachte einen Moment lang, dass es vielleicht ein Fehler war, ihr Geheimnis mit diesem Fremden zu teilen.
George betrachtete sie aus zusammengekniffenen Augen. “Ihr Ehemann kommt nur, wenn er Lust dazu hat?”
Sie wusste nicht genau, wie sie es ihm erklären sollte. “Er kommt zu mir, wenn er kann. Ich muss mit ihm über Susannah sprechen. Sie ist unsere Tochter, und sie war heute Nachmittag sehr aufgebracht über etwas, das ihr Vater getan haben soll.”
“Und Sie haben ihr versprochen, die Angelegenheit mit ihm zu diskutieren?”
“Ja, aber George ist nicht gekommen, und ich fürchte, dass Susannah jetzt noch schlechter von ihm denkt.” Es war ihr unangenehm, diesem Fremden gegenüber zugeben zu müssen, dass ihr Mann und ihre Tochter sich nicht immer einig waren.
“Um was geht es denn?”
Vivian stellte ihren Gehstock zwischen ihre Beine und kreuzte die Hände auf dem Griff. “Das ist es ja – ich kann mich nicht genau erinnern. Er hat irgendetwas getan.”
“Aus Liebe?”
“Natürlich! George liebte seine Kinder. Nur noch Susannah ist mir geblieben … Unser Sohn starb vor Jahren. George war nach Dougs Tod nicht mehr derselbe.”
“Das tut mir leid.”
Tränen schimmerten in Vivians Augen. “Zwischen uns beiden war es auch nicht mehr so wie früher … nachdem wir Doug verloren haben.”
“Ich bin mir sicher, dass sich damals alles verändert hat.”
Tränen liefen ihr über die Wangen, und Vivian wischte sie mit dem Handrücken fort.
“Hören Sie”, sagte George behutsam. “Sie sagen Ihrer Tochter, dass Sie mit George gesprochen haben – und das haben Sie ja auch getan.”
Vivian seufzte. Sie war bereit, diesem Mann zuzuhören – aber nur, weil sie verzweifelt war. “Was soll ich sagen?”
“Sagen Sie ihr, dass, was immer Ihr Mann auch getan hat, es zu ihrem Besten geschah.”
“Sind Sie sich sicher?”
Er nickte. “Sehr sicher. Werden Sie das tun?”
Vivian flüsterte: “Ja.”
“Gut.” George lächelte sie ermutigend an. “Und nun ist es Zeit, dass wir beide auf unsere Zimmer zurückgehen.”
Schon jetzt fühlte Vivian sich besser. Und auch Susannah würde sich besser fühlen, wenn sie erst miteinander geredet hätten.
20. KAPITEL
A m Montagmorgen, nachdem sie ihre erste Tasse Kaffee getrunken hatte, ging Susannah in der Küche zum Telefon. Mit zitternden Fingern und pochendem Herzen wählte sie die Nummer, die Carolyn im Internet recherchiert hatte.
Kurz darauf wusste sie, dass dieser Jacob Allan Presley nicht der Mann war, den sie suchte. Der pensionierte Fernmeldetechniker lebte in Texas und erklärte ihr, dass in dem Bundesstaat unzählige Presleys wohnten. Er wünschte ihr viel Glück bei der Suche nach Jake und beendete das Gespräch.
Enttäuscht hängte sie den Hörer ein. Ihr wurde klar, dass sie mehr als nur Glück brauchen würde.
“Gibt es einen besonderen Grund für deine miese Laune?”, fragte Chrissie, als sie zwanzig Minuten später in ihrem kurzen Pyjama in die Küche kam. Ohne eine Antwort abzuwarten, schnappte sie sich einen der Becher, die noch nicht verpackt waren, und ging zur Kaffeekanne.
Susannah wollte mit ihrer Tochter nicht über ihre Suche nach Jake sprechen. Sie schüttelte den Kopf und umklammerte mit beiden Händen ihre Kaffeetasse, als würde sie dort den Halt finden, den sie brauchte. So wollte sie ihren Morgen eigentlich nicht beginnen: Es war erst kurz nach acht Uhr, und sie war schon deprimiert.
“Troy hat mich gefragt, ob ich heute Vormittag mit ihm nach Spokane fahre”, sagte Chrissie. Sie öffnete den Kühlschrank, nahm die Kaffeesahne heraus und goss etwas in ihren Becher. Dann stellte sie den Behälter zurück in den Kühlschrank und schloss die Tür – sie hatte ihre Mutter bisher nicht ein einziges Mal angesehen.
Chrissie würde den Tag also
wieder
mit Troy verbringen? Eigentlich wollte Susannah protestieren, doch sie schluckte ihre Einwände hinunter. “Ach?”
“Ja!” Die Art, wie Chrissie antwortete, ließ keinen Zweifel daran, dass sie nicht um Erlaubnis fragte. Es war beschlossene Sache, dass sie mit Troy fahren würde.
“Wann bist du letzte Nacht nach Hause gekommen?” Noch während sie sprach, wusste Susannah, dass sie diese Frage besser nicht hätte stellen sollen.
“Ich bin kein Kind mehr”, erwiderte Chrissie und gab sich
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