Gast im Weltraum
feiern.
Bisher hatten wir die Probleme der galaktischen Kosmodromie wie Verschworene in den Mantel des Schweigens gehüllt, aber nun sprachen wir darüber, als handle es sich um eine lange vorausgesehene Selbstverständlichkeit. Schließlich sagte Ter Haar, der anfangs geschwiegen hatte: „Ihr wißt doch, daß sich die Gea nicht zu einer neuartigen Rakete umbauen läßt?“
„Selbstverständlich“, antwortete Rudelik. „Die Leistung der Triebwerke ist zu gering. Außerdem braucht man neue Automaten.“
„Fast drei Jahre trennen uns noch von unserem Ziel“, fuhr der Historiker fort, als hätte er diese Bemerkung überhört. „Dann erst beginnt die Erforschung der Planeten des Zentauren, die sich zwei Jahre oder länger hinziehen kann. Und endlich kommen acht Jahre Rückflug zur Erde. Das sind im ganzen siebzehn Jahre. Wir werden schön alt geworden sein, wenn wir auf der Erde eintreffen. Die nächste, die wirklich zentralgalaktische Expedition wird nicht so bald aufbrechen. Eine geraume Zeit wird mit Versuchen und Experimenten vergehen…“
„Na und? Was macht das schon! Ich verstehe nicht, Professor, weshalb du das sagst“, unterbrach Rudelik ihn ungeduldig. Auch wir anderen sahen den Historiker verblüfft an. Ter Haar ließ sich aber nicht aus dem Konzept bringen. „Keiner von uns wird an einer solchen Expedition teilnehmen. Im Grunde hat sich nichts in unserem Leben geändert. Alles bleibt beim alten. Die Entdeckung hat nicht den geringsten Einfluß auf unser Los – weder jetzt noch in Zukunft. Habe ich nicht recht?“
„Was redest du da?“ rief Rudelik. „Bist du denn blind? Merkst du nicht, was auf der Gea los ist?“
„Doch, ich habe es gemerkt. Ich möchte nur die Ursache dieser mir unverständlichen Aufregung kennenlernen, da sich, wie ich sagte, an unser aller Los…“
„…nichts ändert“, ergänzte Rudelik ärgerlich. „So ist’s richtig! Du behauptest, an unserem Los ändert sich nichts. Aber ich sage: Alles ändert sich! Mensch, Professor, wo warst du denn die ganzen vier Jahre? Warst du nicht auch hier, mitten unter uns? Oder hast du dieses entsetzliche, bedrückende Warten nicht gespürt, das, unablässig bekämpft und zurückgedrängt, doch unter einer anderen Maske immer wiedergekehrt ist? Und keine, nicht die geringste Hoffnung auf eine Änderung in der Zukunft. Es genügte, sich vor zustellen, daß die Raumschiffe zu einem Sonnensystem, das nicht viel weiter entfernt ist als das des Zentauren, dreißig, vierzig Jahre unterwegs sein müssen, daß solche Reisen ein ewiges Gefängnis sein werden, daß die Leere die Schiffe verschlucken und der Erde Greise oder Kinder wiedergeben wird, die das Blau des Himmels nicht kennen, daß wir niemals weiter als zum Sirius gelangen können – das alles genügte, sage ich, daß der Mensch die Hände sinken ließ… Nun wissen wir, daß die künftigen Flüge in das Weltall ganz anders aussehen werden. Wir wissen, daß wir in der Lage sind, der Überflutung durch die Leere einen Damm zu setzen, so daß sie nicht mehr imstande sein wird, das Leben zu zerstören, aufzuzehren, indem sie es in ein jahrelanges, furchtbares Ab warten verwandelt. Wir wissen, daß die Menschen sie in Zukunft nicht empfinden werden. Doch das ist noch nicht alles! Ein Mensch, der von Europa nach Australien reist, wird in dieser Zeit wahrscheinlich älter werden als einer, der, sagen wir, zum Nebel der Jagdhunde fliegt, da wir auf der Erde den Ablauf der Zeit nicht in dem Maße aufhalten können, wie es in einem Raumschiff, das zu fernen Sonnen fliegt, möglich, ja notwendig sein wird!“
„Das ist alles schön und gut“, wandte Ter Haar eigensinnig ein. „Du redest andauernd von künftigen Expeditionen, aber du bist nicht in solch einem neuen Raumschiff, sondern in unserer altmodischen Gea. Was hast du also von der ganzen Entdeckung?“
Rudelik blickte uns verzweifelt an, bewegte einige Male die Lippen, seufzte, zuckte mit den Schultern und schwieg.
Plötzlich lachte Ter Haar laut und lange. Endlich beruhigte er sich, schloß die Augen, wischte sich die Tränen ab und sagte: „Verzeiht, ich hatte nicht die Absicht, mich auf eure Kosten zu amüsieren. Das Problem ist wirklich wichtig und interessant, weil nämlich sehr viel von dem, was der wesentliche Inhalt unseres Lebens ist, tatsächlich außerhalb seiner physischen Grenzen liegt.“
„Ja…“, warf Nils ein. „Wird es aber immer so sein? Werden die Menschen immer sterben?“
Nach dieser Frage war
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