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Gast im Weltraum

Gast im Weltraum

Titel: Gast im Weltraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Neutronenadsorption“, murmelte ich in dunkler Erinnerung an einen früher gelernten Lehrsatz. Ich verstummte aber gleich, da die verstaubten Reste meines Wissens lächerlich gering waren im Vergleich zu den Erfahrungen und Kenntnissen dieser drei Fachleute.
    „Hm“, brummte Yrjöla. Das bedeutet soviel wie nein. „Wir haben bereits Automaten dort hingeschickt.“ Mit einer Kopfbewegung wies er auf die Schutzwand. „Und nicht nur einmal…“
    „Na schön“, antwortete ich. „Aber was für eine Bedeutung kann dieses unmerkliche Vibrieren schon haben!“
    Yrjöla sah kurz zu mir auf und ließ den Blick gleich wieder sinken. Er sagte nichts, aber erst jetzt verstand ich ihn richtig.
    „Großer Himmel“, rief ich. „Es wächst – dieses Vibrieren wächst mit jeder weiteren Beschleunigung, nicht wahr?“
    „Nicht so laut!“ Rudelik preßte meinen Arm.
    „Verzeihung…“, stammelte ich verwirrt.
    Yrjöla schien den Zwischenfall nicht bemerkt zu haben. „Ob es wächst?“ sprach er leise, als wäge er seine Worte. „Ja – es wächst, aber…“
    „… nicht linear“, beendete Rudelik den Satz. Es sah aus, als duckte er sich ein wenig. Seine Augen blitzten. Meine Anwesenheit hatte er anscheinend ganz vergessen, er sprach nur zu dem Ingenieur. Er zog einen Taschenanalysator heraus. Yrjöla dämpfte seinen Eifer mit einer Handbewegung, die zugleich Rudeliks letzte Bemerkung wegzuwischen schien.
    „Nun ja“, sagte er, „es sieht so aus, als ob es das Maximum bei hundertdreißigtausend Kilometer in der Sekunde erreichen sollte. Dann wird es vielleicht wieder schwächer, aber viel wird es nicht absinken. Goobar sagt zwar, das sei gut, aber…“
    „Goobar habt ihr auch hinzugezogen?“
    Statt zu antworten, lächelte Yrjöla nachsichtig, als wollte er sagen: Du begreifst noch immer nichts.
    „Er sagt, es sei gut“, fuhr der Ingenieur fort, „aber das hilft uns nicht weiter. Dieses ,es‘ interessiert ihn nur so weit, wie es mit seiner laufenden Arbeit zusammenhängt.“
    „Es hängt damit zusammen“, warf die Frau ein.
    „Ja, er ist sogar sehr zufrieden… Er behauptet, es habe ihm geholfen…“
    „Was bedeutet das alles eigentlich?“ fragte ich. Ich begriff gar nichts mehr. Ich fühlte nur, daß uns hier etwas umgab, was man mit Worten nicht fassen konnte. „Besteht Gefahr?“ erkundigte ich mich schließlich. Gleich darauf schämte ich mich – ich wußte selbst nicht, weshalb –, daß ich diese Frage gestellt hatte.
    „Gefahr?“ wiederholte der Ingenieur erstaunt. „Ich glaube kaum. Die Konstruktion der Gea wurde mit einem siebzigfachen Sicherheitskoeffizienten berechnet.“
    „Also?“
    Yrjöla stand auf. Auch die beiden anderen wandten sich zum Gehen. Die Frau nahm den Vibrographen, den sie an die Wand gelehnt hatte, und Rudelik zog den Automaten wie einen kleinen Hund hinter sich her. Ohne sich zu verabschieden, als wäre ich Luft für sie, gingen sie an mir vorüber. Yrjöla war der letzte. Er blieb plötzlich stehen und packte mich am Arm. Es war ein kräftiger, schmerzhafter Griff. „Dieses Etwas ist das, was unserem Leben fremd geworden ist.“ Er blickte mir fest in die Augen. „Es ist etwas, was in diesem großen Gebäude, das wir im Laufe einiger tausend Jahre errichtet haben, keinen Raum hat.“ Er beschrieb mit der Hand einen Kreis, als wollte er auf unsere Umgebung hinweisen. Ich begriff, daß er das gesamte Gebäude der Wissenschaft meinte. „Es ist etwas Schlimmeres als Gefahr“, fügte er leise hinzu.
    „Etwas Schlimmeres?“ fragte ich. In meinem Kopf herrschte ein heilloses Durcheinander.
    „Ja“, antwortete er, „es ist das Unbekannte.“
    Er ließ meinen Arm los und folgte den anderen. Lange, sehr lange starrte ich die verwischten Spuren der Wellenlinien auf der Platte an. Dann schritt ich langsam meiner Wohnung zu. Ich dämpfte meine Schritte, als könnten sie das Geheimnis verraten, das mir anvertraut war.

Der goldene Geiser
    Fünf Monate waren seit unserem Abflug vergangen, zwei Monate brauchte nun eine Radiomeldung, um von der Erde zu uns zu gelangen. Ich hatte jetzt weniger Zeit als vorher. Der Pilot vom Ganymed nahm sie in Anspruch. Wir drei – Schrey, Anna und ich – hielten ein Konzilium ab und beschlossen, das Gehirn des Piloten gründlich zu untersuchen. Der Professor hatte eine Funkverbindung mit der Erde verlangt, um möglichst genaue Einzelheiten aus dem Leben des jungen Menschen zu erfahren. Wir rechneten damit, daß wir gegebenenfalls

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