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Gauck: Eine Biographie (German Edition)

Gauck: Eine Biographie (German Edition)

Titel: Gauck: Eine Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Frank
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aufgenommen, um ›Larve‹ bzw. der Kirchgemeinde Rostock-Evershagen ein Kfz zukommen zu lassen. Den VW -Bus sollte ›Larve‹ persönlich erhalten. Um ihn zollfrei einführen zu können, wurde die Kirchgemeinde als Empfänger genannt.«
    Gauck war über diesen Angriff auf seine Integrität erschüttert. »Dieser Vorwurf hat ihn sehr betroffen gemacht. Er war extrem angegriffen«, erinnerte sich sein damaliger Rechtsanwalt Johannes Weberling. Erneut ging der Bundesbeauftragte juristisch gegen die »ehrverletzenden Behauptungen« seines Intimfeindes vor. Wieder erwirkte er eine Unterlassungserklärung. Doch im Widerspruchsverfahren setzte sich zunächst Diestel durch. Er präsentierte acht eidesstattliche Versicherungen zur Untermauerung seiner Behauptung, Gauck sei ein »Begünstigter der Staatssicherheit« gewesen. Überwiegend handelte es sich dabei um ehemalige hauptamtliche oder Inoffizielle Mitarbeiter des MfS . Allen voran der ehemalige IM Wolfgang Schnur und der ehemalige Stasihauptmann Wolfgang Terpe. Die Richter entschieden, dass man Gauck weiterhin einen »Begünstigten« nennen dürfe. Gauck ging in die Berufung. Knapp ein Jahr später, am 26. März 2001 trafen sich Gauck und Diestel im Anschluss an die Berufungsverhandlung vor dem 309 Oberlandesgericht Rostock auf Anregung des Gerichts zu einem Vergleichsgespräch in Berlin und einigten sich darauf, ihren Rechtsstreit in der Hauptsache zu beenden. Das Oberlandesgericht Rostock legte im Anschluss daran Diestel die vollen Verfahrenskosten beider Instanzen auf, ein Indiz dafür, dass er ohne das Vergleichsgespräch in dem Rechtsstreit wohl unterlegen gewesen wäre. Wolfgang Schnur wurde im Nachklang wegen Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung strafrechtlich zur Verantwortung gezogen. Über seinen langjährigen Widersacher sagt Diestel heute: »Gaucks Leben in der DDR war ehrenwert und legitim. Er verhielt sich wie jeder, der in einer Diktatur lebt und sich mit ihr arrangieren muss.« Was Diestel Gauck dagegen auch heute noch vorwirft: »Er hat dazu beigetragen, dass das Land gespalten bleibt, dass die Stasileute dauerhaft ausgegrenzt werden bis heute. Er trägt Mitschuld daran, dass es eine Art Nebengerichtsbarkeit gibt. Für die Wiederintegration ehemaliger Stasimitarbeiter hat er nichts getan.«

Was bleibt?
    Joachim Gauck hat in seinen zehn Jahren an der Spitze der BStU bewundernswerte Arbeit geleistet. Aus dem Nichts baute er eine Dreitausend-Mann-Behörde auf und machte sie in kurzer Zeit arbeitsfähig. Sicher im Auftreten, selbstbewusst bis zur Arroganz, nie um eine Antwort verlegen, gelegentlich mit pastoralem Zungenschlag entwickelte er sich vom unerfahrenen Behördenleiter zur international anerkannten moralischen Instanz bei der Aufarbeitung des Stasierbes. Als Bundesbeauftragter setzte er sich beharrlich und erfolgreich gegen starke Kräfte und Akteure zur Wehr, die einen anderen Umgang mit den Stasiakten forderten, als der Gesetzgeber das vorgesehen hatte.
    Der Zweck, weswegen die Behörde geschaffen worden und was eine der Hauptforderungen der Revolutionäre im Herbst 1989 gewesen war, wurde schließlich erreicht: die Öffnung der Akten für die heimlich von der Stasi observierten und politisch Verfolgten. Im Ergebnis konnten hunderttausend Opfer Klarheit über bestimmte Ereignisse in 313 ihrem Leben gewinnen. Wer sie hintergangen und verraten hatte. Wer Freund und wer Verräter gewesen war. Endlich konnten sie nach Jahren verstehen, wer damals den Schulverweis betrieben hatte oder warum ihnen ihr Wunschberuf verwehrt geblieben war. Wer für Schikanen am Arbeitsplatz gesorgt hatte und warum sie keinen beruflichen Erfolg gehabt hatten. Woran Freundschaften und Ehen zerbrochen waren. Im schlimmsten Fall, warum sie jahrelang in Haft gesessen hatten.
    Schließlich: Die historische und publizistische Aufarbeitung der deutschen Nachkriegsgeschichte war in ganz anderer Weise möglich, als dies ohne die Gründung der BStU der Fall gewesen wäre. Gauck selbst bewertete seine Tätigkeit als Behördenchef: »Im Rückblick scheint mir unsere Lösung trotz aller Turbulenzen, Einschränkungen und Fehler doch gelungen. Wir haben den Opfern ihre Würde zurückgegeben, Rehabilitierungen und Entschädigungen ermöglicht, wir haben einen relativ weitgehenden Elitenwechsel in Politik und Gesellschaft erreicht, einen Teil der Schuldigen und Verantwortlichen an den Rand gedrängt, einige wenige auch bestraft.«
    Bei alldem bewies Gauck ein

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