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Gauck: Eine Biographie (German Edition)

Gauck: Eine Biographie (German Edition)

Titel: Gauck: Eine Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Frank
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werden, machte Gauck das eine oder andere Mal auch erstaunliche Fehler. Bei seinem Afghanistan-Besuch im Dezember 2012 sagte er den Satz: »Von verwundeten oder getöteten Soldaten, Polizisten und Entwicklungshelfern hören wir verlässlich – von neuen Stromanschlüssen, gelungenen Unternehmen, erfolgreichen Schulabschlüssen selten.« Zwar wurde dieser misslungene Vergleich von den Medien nicht thematisiert und eine öffentliche Diskussion 364 darüber blieb aus. Gleichwohl war die Verbindung zwischen der Tragödie gefallener Soldaten und der Banalität eines Stromanschlusses ein bemerkenswerter Fauxpas des ansonsten so herausragenden Redners Gauck.
    Das größte Fettnäpfchen, in das Joachim Gauck im ersten Jahr seiner Amtszeit trat, war seine Kritik an der Bundeskanzlerin während seiner Israelreise. Angela Merkel hatte zuvor die Aussage getroffen, dass die Sicherheit Israels »Teil der deutschen Staatsräson« sei. Der Bundespräsident distanzierte sich von dieser Haltung, indem er öffentlich darüber nachdachte, ob diese Garantieerklärung der Kanzlerin gegenüber Israel im Ernstfall durchsetzbar sei. Beobachter und Kommentatoren waren sich einig: Eine derartige öffentliche Kritik an der Bundeskanzlerin durch den Bundespräsidenten, gerade in Israel, war unangemessen und ein politischer Fehler. Umfragen in der Bevölkerung dokumentierten dieselbe Einschätzung. Dieser Eingriff des Bundespräsidenten in das Regierungsgeschehen wurde als Patzer empfunden. Am nächsten Tag hielt Gauck es dann auch für geboten klarzustellen, es gebe in der Sache keine Unterschiede zwischen der Bundeskanzlerin und ihm.

Die Gründe für den Erfolg
    Die wohl entscheidenden Gründe für die große Sympathie, die Joachim Gauck entgegengebracht wird, sind seine Glaubwürdigkeit und Authentizität.
    Dieser Bundespräsident übernimmt nicht die üblichen Floskeln des politischen Betriebes, sondern bemüht sich darum, eigene Formulierungen zu finden. Das vermittelt einem das gute Gefühl: Da steht ein Mann wie du und ich. Als er noch Bundesbeauftragter war, hatte sein Direktor Hansjörg Geiger ihn oft davor gewarnt, zu offen zu sein: »Herr Gauck, wenn Sie das sagen, hat das Folgen, dann steht das morgen so in der Zeitung.« Der Bundesbeauftragte hatte darauf meist pikiert reagiert, sich dann aber doch beeinflussen lassen. »Er hat nicht gleich im selben Gespräch seine Meinung geändert, aber er hat es dann doch angenommen«, erinnerte sich Geiger. Wenn Gauck jetzt bei Gelegenheit sehr offen aussprach, was aus ihm herausdrängte, dann konnte das möglicherweise unter diplomatischen Gesichtspunkten zu beanstanden sein, doch die Menschen nahmen ihm das nicht übel, sondern rechneten es ihm eher positiv an.
    Gauck hat kein Problem damit, sich öffentlich zu seinen Fehlern und Schwächen zu bekennen. Ein paar Monate nach Amtsübernahme gestand er, dass er zu Beginn seiner außenpolitischen Begegnungen sehr angespannt gewesen sei. »Ich habe damals nach meinen offiziellen, außenpolitischen Terminen in Bellevue oft meine Berater fragend angesehen: War auch alles richtig? Habe ich was falsch gemacht?« Bei seiner ersten großen Rede zum Thema Europa im Februar 2013 räumte er ein, dass er einen Satz, den er zu Beginn seiner Amtszeit gesagt hatte, nämlich »Wir wollen mehr Europa wagen«, so »heute nicht mehr formulieren würde«. 367
    Genauso bekennt sich Gauck zu seinen Emotionen. Wenn ihn etwas berührt, zeigt er das. Nach einer Privataudienz bei Papst Benedikt XVI . im Dezember 2012 hielt der Bundespräsident mit seiner Ergriffenheit nicht hinter dem Berg, so dass es keinem der anwesenden Journalisten entging. Immer wieder kam es vor, dass Gauck bei offiziellen Anlässen seine Tränen nicht zurückhalten konnte. Bei seinem ersten Besuch in den Niederlanden wurden ihm während des Festaktes in der Kirche von Breda die Augen feucht. Nur mit Mühe und unter Zuhilfenahme seines Taschentuchs wurde er der Gemütsregung Herr. Als ihn bei derselben Reise plötzlich unerwartet eine Frau umarmte, die er von früher kannte, übermannte ihn erneut Rührung, und er gestand: »Da kullern dann doch die Tränen.« Auch bei seiner Israel-Reise konnte er bei einer Begegnung mit Holocaust-Überlebenden nur mit größter Anstrengung verhindern, vor den Augen der Weltöffentlichkeit weinen zu müssen.
    Manche journalistischen Beobachter kreideten Gauck das an. Er könne auf ein inneres Signal hin weinen, glaubten sie zu wissen und kritisierten, »[…]

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