Gaunts Geister - Band 1-3
ist! Wenn wir hier und heute nicht in
der Verteidigungslinie sterben, die eure kostbaren Verwundeten schützen soll,
lasse ich lachend jede Vergeltung über mich ergehen, die du zu üben gedenkst!
Was könnte schlimmer sein als das hier?«
Drado antwortete nicht. Er
schoss wieder, und Brostin sah mit grimmiger Befriedigung, dass er sein Manko
jetzt ausglich und mehr nach links zielte. Er erzielte Treffer.
»Viel besser, du Schwachkopf«,
murmelte er.
Im Haupthaus sah Dorden nach
den Verwundeten, die sie transportiert hatten. Mit Lesp, Gutes, Caffran, Foskin
und Claig hatte er die Patienten einen nach dem anderen aus der Halle
geschafft, durch die hinteren Räume und dann nach unten in eine lange Krypta.
Die Wände dieses niedrigen, gewölbeartigen Kellerraums bestanden aus dicken Steinen
und boten den bestmöglichen Schutz. Sie mochten den Angriff hier überleben —
oder wie Ratten begraben werden.
Mit Foskins Hilfe behandelte er
Tremards Wunde und stabilisierte seinen Zustand. Dann beorderte er alle Geister
zurück zur Verteidigungslinie, alle bis auf Lesp, den er brauchte. Ein weiterer
komatöser Volponer war während der Verlegung aufgewacht und hatte Krämpfe.
Caffran, Foskin, Gutes und
Claig eilten die Kellertreppe hoch und bedienten sich auf dem Weg zurück bei
den beschädigten Waffen der Volponer, die im Stall gestapelt waren.
Der Volponer mit den Krämpfen
starb. Zwar wies er abgesehen von schweren Prellungen keine äußerlichen Anzeichen
einer Verwundung auf, aber Dorden wusste, dass Artillerie-Erschütterungen seine
Innereien in Gelee verwandelt hatten. Lesp half ihm, den Leichnam wieder die
Treppe hinauf in die Halle zu tragen und dort abzuladen.
Sie gingen wieder nach unten.
In der Krypta war es feucht und roch stechend nach den chemischen Lampen, welche
die Geister in aller Eile aufgestellt hatten. Die Verwundeten ächzten und
seufzten. Manche schliefen wie tot. Die Erde rings um sie bebte, und hin und
wieder tröpfelte flüssiger Schlamm von der Decke, wenn das Haus durch den
Angriff in seinen Grundfesten erschüttert wurde.
»Wir werden hier alle sterben,
oder nicht?«, fragte Lesp mit klarer und sicherer Stimme.
Dorden stammelte etwas, da ihm
vorübergehend die Worte fehlten. Verzweifelt überlegte er, was Gaunt unter solchen
Umständen sagen würde. Was würde ein ausgebildeter politischer Offizier hier
für die Moral der Männer tun, die dem Tod ins Angesicht schauten? Er konnte es nicht.
Es steckte einfach nicht in ihm. Er konnte sich keinen gewandten Spruch
ausdenken, in dem »das Gesamtwohl der Imperialen Armee« oder »das Lebensblut
des Imperators« Verwendung fand. Stattdessen fiel ihm nur etwas ganz
Persönliches ein.
»Ich nicht«, sagte er zu Lesp.
»Wenn ich sterbe, dann sterben auch meine Frau, meine Tochter und meine
Enkeltochter, weil die Erinnerung an sie mit mir stirbt. Ihretwegen werde ich
hier nicht sterben, Lesp.«
Lesp nickte, und sein großer
Adamsapfel hüpfte dabei in seiner schmalen Kehle auf und ab. Er dachte an seine
Erinnerungen: an Mutter, Vater, Brüder und Mannschaftskameraden auf dem
Hochseekutter.
»Dann sterbe ich auch nicht«,
brachte er heraus.
Dorden wandte sich zur Treppe.
»Wohin gehen Sie?«, fragte
Lesp.
»Sie kümmern sich um die Sachen
hier. Ich sehe mich mal oben um. Es hört sich so an, als könnten sie einen
Sanitäter brauchen.«
Lesp zückte seine Laserpistole
und hielt sie seinem Vorgesetzten hin.
Dorden schüttelte den Kopf.
»Ich kann jetzt nichts damit anfangen«, sagte er.
Oben war es ruhig in der alten
Ruine. Anscheinend hatten sich sowohl das Gewitter als auch der Angriff für den
Augenblick beruhigt. Dorden schlich in die verlassene große Halle und versuchte
es mit seinem Kom, aber es war tot. Die Deckenlampen schwangen hin und her, und
loser Putz rieselte herab. Leer sahen die stinkenden Pritschen erbärmlich und
verdreckt aus. Dorden schritt über Blutlachen und Fetzen abgelegter Kleidung
hinweg.
Er ging in die Küche und warf
einen Blick auf den fleckigen Tisch, auf dem er Regara ein Stück von seinem Bein
abgenommen hatte.
Den alten Kamin sah er zum
ersten Mal. Aus schwarzem Eisen, so wie der, vor dem er oft bei sich daheim auf
Tanith gesessen hatte.
Er und seine Frau, am Ende
eines langen Abends, mit einem Buch und einem Glas mit etwas Wärmendem vor
flackerndem Feuerschein.
Auf dem Sims standen kleine
Klötze in einer Reihe, die wie Kreidestücke aussahen. Er ging hin und nahm
einen in die Hand.
Der kleine
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