Gaunts Geister - Band 1-3
der Mitte der langen Halle, und
kleine bunte Singvögel flatterten durch ihr Geäst. Dies ist das Privileg der
Macht , dachte Gaunt.
Die großen Türen, aus ganzen
Stücken irgendeines riesigen Baums gefertigt, ragten mit dem Wappen von Haus Chass
in lackiertem Flachrelief darauf vor ihm auf. Efeuranken bedeckten die Wände
auf beiden Seiten, und kleine blaue Blumen sprossen an Obstbäumen in der Allee,
die zur Tür führte. Er holte die Siegelmarke hervor und schob sie in einen
Schlitz im Türschloss.
Die großen Türen schwangen
lautlos nach innen. Eine Fanfare aus Chorstimmen ertönte. Er trat in einen Raum
mit hoher Decke, der von blauem, durch Buntglasoberlichter hoch oben in der
Decke fallendem Licht erleuchtet war. Die Wände waren Mosaike, die ihm
unbekannte Vorfälle und Geschichten illustrierten. Das Chass-Wappen wiederholte
sich in regelmäßigen Abständen in dem Mosaik.
»Willkommen, geehrter Besucher,
in der Enklave des Hauses Chass. Eure Benutzung einer Siegelmarke weist Euch
als geladenen und würdigen Gast aus. Bitte wartet im Vorzimmer, dann werden
Euch Erfrischungen gereicht, während seine Lordschaft über Eure Ankunft
unterrichtet wird.«
Die Stimme des Servitors war
glatt und warm und kam aus der Luft. Die großen Türen schlossen sich hinter Gaunt.
Er nahm seine Mütze ab, zog die Handschuhe aus und legte die Sachen auf einen
kleinen Beistelltisch aus Teakholz.
Einen Augenblick später öffneten
sich die Innentüren, und drei Gestalten traten ein. Zwei waren Hauswachen in Vollrüstungen
wie derjenigen des Leibwächters, der Gaunt vor der Kammer des Hohen Rats
angesprochen hatte. Sie hatten ihre Waffen mit Satintüchern verhüllt und
nickten ihm steif zu.
Die dritte Person, ein
weiblicher Servitor mit Implantaten und Stöpseln aus Gold, trug ein Tablett mit
Erfrischungen auf langen, silbernen, segmentierten Armen, die ihre natürlichen
Gliedmaßen unterstützten.
Sie blieb vor Gaunt stehen.
»Wasser, Joiliq, Beerenwein, Bonbons. Bitte bedient Euch, ehrwürdiger Gast.
Sollte Euch nichts ansprechen, sagt es mir, dann kümmere ich mich um Eure
speziellen Bedürfnisse.«
»Danke, die Auswahl reicht
vollkommen«, sagte Gaunt.
»Einen Schluck vom hiesigen
Schnaps.«
Sie hielt die Karaffe mit ihren
Zusatzarmen und goss Gaunt elegant eine Portion Joiliq in ein Kristallglas, das
sie ihm reichte.
Er nahm es mit einem Nicken,
und der Servitor zog sich ans Ende des Raums zurück. Gaunt nippte nachdenklich an
seinem Glas. Er fragte sich langsam, warum er überhaupt gekommen war. Es war
klar, dass es zwischen ihm und Chass ein Universum der Verschiedenheit gab. Was
konnten sie gemeinsam haben?
»Da Sie hier sind, müssen Sie
eingeladen worden sein, aber ich kenne Sie nicht.«
Gaunt drehte sich um und stand
vor einer jungen Edelfrau, die das Vorzimmer von der anderen Seite betreten
hatte. Sie trug ein langes Kleid aus gelber Seide mit einer Pelzstola und einen
kunstvollen Kopfschmuck aus Silberdraht und Juwelen. Sie war fast schmerzhaft
schön, und Gaunt sah auch Intelligenz in ihrem perfekten Gesicht.
Er nickte hochachtungsvoll und
mit einem leichten Zusammen-schlagen der Hacken. »Ich bin Gaunt, meine Dame.«
»Der Fremdweltler-Kommissar?«
»Einer von ihnen. Mit der Armee
sind mehrere meines Schlags eingetroffen.«
»Aber Sie sind der berühmte
Kommissar Ibram Gaunt. Man sagt, Volksheld Kowle sei außer sich vor Wut gewesen,
als er gehört hat, dass der berühmte Gaunt in die Vervunmakropole kommt.«
»Sagt man das?«
Die junge Frau umkreiste ihn.
Gaunt blieb, wie er war.
»Ja, das sagt man. Kriegshelden
erträgt Kowle gerade noch, heißt es, aber einen Kriegshelden, der Kommissar ist?
Und berühmt für seine Leistungen auf Balhaut, Fortis Doppelstern, in der
Menazoid-Klammer und auf Monthax? Das ist zu viel für Kowle. Sie könnten ihn in
den Schatten stellen. Die Vervunmakropole ist groß, aber es kann nur einen
berühmten, schneidigen Kommissar-Helden geben, nicht wahr?«
»Vielleicht. Ich habe kein
Interesse an Konkurrenzkämpfen. Also ... Sie sind versiert in der jüngsten
Militärgeschichte, meine Dame?«
»Nein, aber meine Dienerinnen
sind es.« Sie lächelte gefährlich.
»Ihre Dienerinnen haben ein
Interesse an meiner Akte entwickelt?«
»Ein sehr großes sogar, an
Ihnen und Ihren — wie haben sie sie noch genannt? Ihre >schmuddeligen,
couragierten Geister-Kriegen<. Anscheinend sind sie viel aufregender als die
steifen, förmlichen Volponer Blaublüter.«
»Dafür kann ich
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