Gaunts Geister - Band 1-3
noch größer und
stärker, Energiewaffen einer Dimension, wie man sie normalerweise nur in großen
Raumschlachten erlebte. Das Tosen war ohrenbetäubend und erzeugte eine
Druckwelle, die noch Kilometer entfernt spürbar war.
Die Festung Hass-West und das
Tor, das sie schützte, wurden ausgelöscht. Cargin, Anglon und all die
verbliebenen Verteidiger wurden in einem winzigen Augenblick verbrannt. Als die
Strahlen erloschen, eröffneten Raketen- und Geschütz-Plattformen auf der
gesamten Pyramidenoberfläche das Feuer und häuften noch mehr Zerstörung auf die
Ruinen. Es stank nach Ozon und Fyzelen und statischer Elektrizität. Der
Schutzwall stürzte auf einer Breite von jeweils einem halben Kilometer links
und rechts der Festung ein.
Die Pyramidenmaschine rollte
weiter vorwärts und der ster-benden Makropole entgegen, während ihre
Lautsprechersysteme beständig den Namen des Erben plärrten.
Gaunt schrak aus dem Schlaf,
und sofort überschlugen sich seine Gedanken. Der Schlaf hatte ihm zwar die
unmittelbare Erschöpfung genommen, aber jedes Atom seines Körpers schmerzte und
pochte. Es dauerte einen Augenblick, bis ihm wieder einfiel, wo er war. Wie
lange hatte er geschlafen?
Er rappelte sich auf. In der
Sakristei war es kühl und still, der Chor der Ekklesiarchen längst verstummt.
Merity Chass stand in der Nähe
und betrachtete die Friese des Imperator-Kults. Sie trug seinen langen Mantel und
sonst nichts.
Sie drehte sich zu ihm um und
lächelte. »Du ziehst dich besser an. Wahrscheinlich wirst du gebraucht.«
Gaunt suchte Hemd und Stiefel
zusammen und zog sich an. Er konnte sie immer noch auf seinen Lippen schmecken.
Er starrte sie noch einen Moment länger an. Sie war — wunderschön. Hätte er bis
jetzt noch keinen Grund gehabt, für die Vervunmakropole zu kämpfen, hätte sich das
nun geändert. Er würde nicht zulassen, dass dieses Mädchen starb. Er setzte
sich auf eine Bank und lachte leise vor sich hin.
»Was?«, fragte sie.
Gaunt schüttelte den Kopf.
Diese Gedanken! Er hatte die Todsünde des guten Offiziers begangen. Er hatte
seine Gefühle in die Schusslinie gestellt. In diesem Augenblick konnte er in
Gedanken Oktars trockenes Glucksen hören, der ihn dafür schalt, dass er sich an
etwas oder jemanden band. In den gemeinsam verbrachten Jahren hatte Gaunt miterlebt,
wie Oktar viele weinende Frauen zurückgelassen hatte, wenn er ins nächste
Kriegsgebiet abrückte.
»Halte deine Gefühle raus,
Ibram. Aus allem. Wenn du gefühlsmäßig nicht involviert bist, liegt dir nichts
an den Dingen, und das macht die schwierigsten Aspekte des Armeelebens um
einiges leichter. Tu, was du musst, nimm, was du brauchst, und zieh weiter.
Schau nie zurück, bedaure nie etwas, und erinnere dich niemals.«
Gaunt knöpfte sein Hemd zu.
Vielleicht zum allerersten Mal ging ihm auf, dass er Oktars Rat schon vor
langer Zeit in den Wind geschlagen hatte. Seit er den Tanithern begegnet war
und sie als Geister vom Scheiterhaufen ihrer Welt geholt hatte, war er
gefühlsmäßig involviert, und ihm lag etwas an den Dingen. Er kam zu dem
Schluss, dass er das nicht als Schwäche betrachtete. In diesem Punkt hatte der
alte Oktar sich geirrt. Dass ihm etwas an den Geistern lag, an der Sache, am
Kampf oder auch an Personen, machte ihn zu dem, was er war. Ohne diese Gründe,
ohne emotionale Investition, hätte er allem schon vor Jahren den Rücken gekehrt
oder sich einen Pistolenlauf in den Mund geschoben.
Gaunt stand auf und fand Mütze,
Handschuhe und Waffengürtel.
Er versuchte sich an die
hektischen Überlegungen zu erinnern, die ihn geweckt hatten. Ideen ...
Daur platzte in die Sakristei.
»Kommissar, wir ...« Daur sah die abgesehen von dem Mantel nackte Frau und
blieb wie angewurzelt stehen. Errötend wandte er sich ab.
»Einen Augenblick, Hauptmann.« Gaunt
ging zu Merity.
»Ich muss gehen. Wenn das hier
vorbei ist ...«
»Sind wir entweder tot oder
wieder eine Adelige und ein Soldat.«
»Dann danke ich dem Imperator
für dieses kostbare Zwischenspiel der Gleichheit. Bis zur Stunde meines Todes wie
fern sie auch sein mag, werde ich mich an dich erinnern.«
»Das will ich doch hoffen. Und
ich hoffe auch, dass diese Stunde noch lange auf sich warten lässt.«
Er küsste sie auf den Mund,
strich ihr mit den Fingern über die Wange und folgte Daur dann aus der
Sakristei, wobei er Jacke und Waffenharnisch anlegte. In der Tür setzte er
seine Mütze auf und rückte die Metallrose zurecht, die Lord Chass ihm für
Weitere Kostenlose Bücher