Gaunts Geister - Band 1-3
seines eigenen Pulsschlags fest.
Grasticus war riesig.
Dreihundert Kilo wabbeliges Fleisch hingen an seiner massigen Gestalt. Er verließ
seinen Thron nur selten, wagte sich kaum je heraus aus dem stillen Frieden
seines privaten Strategiums, einer gepanzerten Kuppel im Herzen des
geschäftigen Brückengewölbes hoch oben im Kommandoturm am Heck der Absalom .
Einhundertdreißig Standardjahre
zuvor, als er dieses Schiff vom verblichenen Kapitän Ulbenid geerbt hatte, war
er ein großer, hagerer Mann gewesen. Untätigkeit und die süchtig machende
Sympathie mit dem Schiff hatten ihn abhängig von seinem Thron gemacht. Als
spürte sein Körper, dass er nun eins mit einer derart riesenhaften Maschine
war, hatte er seinen Stoffwechsel verlangsamt und seine Masse vergrößert, als
wollte er sich zu einem Ebenbild der aufgeblähten Masse der Absalom machen. Die
Transportschiffe der Adeptus Mechanicus waren anders als die Schiffe der
imperialen Flotte. Sehr viel älter und oft viel größer, waren sie gebaut
worden, um Kriegsgerät vom Mars dorthin zu transportieren, wo es benötigt wurde.
Ihre Kapitäne waren mehr wie die Principes der großen laufenden Titanen und
durch Geist-Impuls-Leitungen mit den lebenden Maschinen verkabelt.
Sie waren lebende Schiffe.
Grasticus aktivierte einen
weiteren Schirm, der ihm die direkte Beobachtung seiner geliebten Navigatoren
gestattete, Hüllen von Menschen, die mit ihrem Schrein verkabelt waren, der
sich in einem Alkoven ein paar Marmorstufen unter der Hauptbrücke befand. Ihre
skandierenden Stimmen sangen ihm ein Datenlied über die Immateriums-Koordinaten
und ihr Vorankommen, das in blasser Harmonie durch sein Bewusstsein hallte. Er
hörte zu, verstand, war beruhigt. Es gab eine leichte Kurskorrektur, die er an
die ranghöchsten Ruderoffiziere weiterleitete. Die Menazoid-Klammer war jetzt
nur noch zwei Tageszyklen entfernt. Der Äther ließ keine Spur von einer
Gewitterfront oder einem Warpstrudel erkennen, und das Signal des
Astronomicons, jenem Leuchtfeuer, dessen psionisches Licht alle Schiffe durch
das Immaterium leitete, war rein und klar. Gesegnet sind die Lieder der
Navis Nobilite , murmelte Grasticus mit seiner belegten Stimme, indem er
einen Teil des Segenscredos der Navis zitierte, denn von ihnen geht der
Hoffnungsstrahl aus, der unseren Goldenen Weg erleuchtet.
Plötzlich runzelte Grasticus
die Stirn. Vor seinem verkabelten Strategium herrschte Aufruhr. Menschliche
Stimmen erhoben sich in dringender Konferenz. Seine massigen Brauen runzelten
sich, als gerieten Sanddünen ins Rutschen, und er gebot seinem Thron mit dem
Stab, sich dem Torbogen zuzuwenden, der in sein Strategium führte.
»Deckoffizier Lekulanzi«, sagte
er in sein Interkom, das an straffen Messingdrähten vom Kuppeldach hing,
»treten Sie ein, und erklären Sie diese Störung.«
Er schaltete den Schutzschirm
vor seinem Eingang mit einer Geste seines Stabs aus, und ein beunruhigt aussehender
Lekulanzi eilte herein. Der Deckoffizier starrte zu der fetten Gestalt auf
ihrem Hängematten-Thron über sich empor und spielte mit zwanghafter Nervosität
am Saum seiner Uniform und mit seinem eigenen Kommandostab. Er sah den Kapitän
nur selten von Angesicht zu Angesicht.
»Kapitän, ein hoher Offizier
der Imperialen Armee bittet um eine Audienz. Er möchte eine offizielle
Beschwerde einreichen.«
»Ein Frachtgegenstand will sich
beschweren?«, sagte Grasticus mit trägem Erstaunen.
»Ein Passagier«, sagte
Lekulanzi mit leichtem Schaudern über den Klang der selten gehörten Stimme des
Kapitäns.
Grasticus fegte die
Berichtigung beiseite, wie er es immer tat. Er war es nicht gewöhnt, Menschen
zu befördern. Verglichen mit den geliebten Gott-Maschinen, die zu befördern
seine eigentliche Aufgabe war, erschienen sie ihm so bedeutungslos. Aber die
Menschen hatten Fortis Doppelstern befreit, und die Techpriester hatten ihn und
sein Schiff geschickt, um ihnen zu helfen. Es war eine Art Dankbarkeit, nahm er
an.
Grasticus mochte Lekulanzi
nicht. Dieser Welpe war seinem Kommando erst vor drei Monaten auf Befehl der
Adeptus unterstellt worden, nachdem Grasticus' eigentlicher Deckoffizier bei
einem Warpgewitter den Tod gefunden hatte. Er zweifelte an den Fähigkeiten des
Mannes. Er verabscheute seine schmächtige, zerbrechliche Statur.
»Lassen Sie ihn vor«, sagte
Grasticus, durch das ungewöhnliche Ereignis abgelenkt. Es war gewiss eine
Abwechslung, einmal mit Menschen zu reden. Seinen Mund zu benutzen. Einen
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