Gauts Geister 4 - Ehrengarde
helfen — und ich versichere Ihnen, er ist es
nicht —, bliebe die Tatsache, dass das nächste imperiale Kontingent, das von
der Größe geeignet wäre, uns zu helfen, sechs Wochen entfernt ist. Die Flotte
des Erzfeindes ist nur drei Wochen entfernt.«
Gaunt spürte hilflose Wut in
sich aufwallen. Das erinnerte ihn auf die schlimmstmögliche Weise an Tanith und
die Entscheidungen, die zu treffen er dort gezwungen gewesen war. Zum Wohl des
Sabbatweltenkreuzzugs würde wieder ein ganzer verdammter Planet geopfert. »Ich
habe Befehle vom Kriegsmeister erhalten«, sagte Lugo.
»Sie sind unzweideutig. Wir
sollen uns umgehend von diesem Planeten zurückziehen. Alle Diener des Imperiums
ebenso wie der planetare Adel und die Priesterschaft sollen mit uns evakuiert
werden, und wir sollen die heiligen Schätze dieser Welt mitnehmen: Reliquien, Antiquitäten,
heilige Gegenstände, Werke des Lernens. Wenn die Zeit reif ist, wird der
Kreuzzug zurückkehren und Hagia noch einmal befreien, und dann werden auch die
Schreine wiederhergestellt und neu geweiht. Bis dahin müssen die Priester
Hagias heiliges Vermächtnis im Exil schützen.«
»Das werden sie nicht tun«,
sagte Hauptmann Herodas.
»Ich habe mit den Einheimischen
geredet. Ihre Reliquien sind kostbar, aber nur in Verbindung mit dem Standort.
Als Geburtsort der heiligen Sabbat ist es die Welt, die eigentlich zählt.«
»Sie werden gar nicht gefragt«,
schnauzte Lugo.
»Das ist jetzt nicht der rechte
Zeitpunkt für Gefühlsduseleien. Heute Abend beginnt ein ausgedehntes
Evakuierungsprogramm. Das letzte Schiff startet von hier in spätestens achtzehn
Tagen. Sie und Ihre Offiziere werden alle Überwachungsaufgaben über-nehmen und dafür
sorgen, dass besagtes Programm rasch und effektiv abläuft. Versagen wird
rascheste Maßregelungen zur Folge haben. Etwaige Behinderungen unserer Arbeit
werden mit dem Tode bestraft. Kann ich davon ausgehen, dass Sie alle verstanden
haben, was verlangt ist?«
Die versammelten Offiziere
brachten kleinlaut zum Ausdruck, dass es so war.
»Ich habe Hunger«, verkündete
Lugo plötzlich.
»Ich möchte jetzt etwas essen.
Begleiten Sie mich, Gaunt. Ich würde Ihnen gern Ihre speziellen Aufgaben
erläutern.«
»Wir wollen ganz offen reden,
Gaunt«, sagte Lugo, während er geschickt das Fleisch aus einer Muschel löste,
die aus einem berühmten Zuchtgrund ein paar Kilometer flussabwärts stammte.
»Ihre Laufbahn ist praktisch
beendet.«
»Und wie kommen Sie darauf,
Marschall?«, erwiderte Gaunt steif und trank einen Schluck Wein. Sein eigenes Mahl,
glänzend schwarzer Schellfisch, lag größtenteils unberührt vor ihm auf dem
Teller.
Lugo schaute von seinem Gericht
auf und Gaunt an und kaute und schluckte den Bissen saftigen weißen Heisches in
seinem Mund, bevor er antwortete. Er betupfte sich mit einer Ecke seiner
Serviette die Lippen. »Ich nehme an, Sie scherzen?«
»Komisch«, sagte Gaunt. »Ich
dachte, das tun Sie, Marschall.« Er griff nach seinem Glas, sah jedoch, dass es
leer war, also nahm er die Flasche und schenkte sich nach.
Lugo klaubte mit der Zunge ein
Stück Muschel aus der Wange und schluckte. »Das hier«, sagte er mit einer
beiläufigen Geste, welche die ganze Stadt einschließen sollte und nicht nur den
zugigen, leeren Speisesaal, in dem sie saßen, »ist ganz allein Ihre Schuld. Sie
standen trotz Ihrer wenigen auffallenden Erfolge in den letzten Jahren noch nie
sonderlich hoch in der Gunst des Kriegsmeisters. Aber eine Scharte wie diese
kann nicht mehr ausgewetzt werden.« Er nahm sich noch eine Muschel und klappte die
Schale geschickt auf.
Gaunt lehnte sich zurück und
schaute überallhin, da ihm klar war, wenn er gleich antwortete, würde er derart
vom Leder ziehen, dass er mit Sicherheit am falschen Ende eines
Erschießungskommandos landete. Lugo war ein Wurm, aber er war auch ein
Marschall. Es konnte nichts Produktives dabei herauskommen, wenn er ihn anschrie.
Gaunt wartete ab, bis sich sein Zorn ein wenig abgekühlt hatte.
Der Speisesaal war ein hoher
Raum im Sommerpalast, wo der Hochkönig einst Staatsbankette ausgerichtet hatte.
Das Mobiliar war bis auf ihren Tisch mit seinem weißen Leinentischtuch
herausgeräumt worden. Sechs Infanteristen der Ardeleanischen Kolonisten standen
an den Türen Wache und ließen nur das Bedienpersonal ein, wenn geklopft wurde.
Mit Lugo und Gaunt am Tisch saß
der kräftig gebaute Kommissar, der mit dem Marschall eingetroffen war. Er hieß
Viktor Hark und hatte seit
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