Gayheimnisse reloaded (German Edition)
betrachtete den Dolch und legte ihn seufzend weg. Selbstverständlich würde er einen schlafenden Mann weder töten noch verletzen! Nandreju hatte sich vermutlich auf dieses Ehrgefühl verlassen, so riskant das auch sein mochte … Illyz wog noch einmal alles Für und Wider ab, ob er diesen Mann nicht doch fesseln sollte. Aber wenn Nandreju wirklich ein Aparuza war, würde er sich von einigen Lederbändern nicht aufhalten lassen, hätte dafür jedoch einen Grund, wütend zu sein.
Illyz schritt zu einem der beiden Fenster in dieser Hütte. Es war fest verriegelt, dennoch spürte er noch leichten Luftzug. Er hörte den Sturm toben, der noch schlimmer geworden zu sein schien. Das Heulen des Windes klang wie ein Rudel Wölfe. Er verzichtete darauf, den Riegel zu lösen und hinauszublicken. Unsinnig, Eis und Schnee in die Hütte einzuladen, nachdem er ihnen so knapp entflohen war.
Große Mutter gib, dass Vater und die anderen sicheren Unterschlupf gefunden haben, betete er.
Eine sanfte Berührung an den Schultern ließ ihn erstarren. Nandreju! Er hatte nicht gehört, dass er erwacht und aufgestanden war.
Ein Seitenblick aus den Augenwinkeln zeigte ihm, dass Nandreju vollkommen nackt war – genauso wie er selbst.
Verflucht, wie konnte ich nur so dumm sein! Jetzt war es zu spät. Vermutlich hätte es auch nicht viel geändert, wenn er angezogen gewesen wäre …
Die Hände auf seinen Schultern waren warm und angenehm, streichelten forschend über seine Haut, glitten über die Arme und seinen Rücken, langsam, ohne zu fordern. Illyz blieb weiter stocksteif stehen, unfähig sich zu bewegen. Gedanken schossen wild durch seinen Kopf – Er ist so viel stärker als ich, sinnlos, mich zu wehren. Er tut mir nicht weh, vielleicht will er mich nur erschrecken? Tu was, dreh dich um, jetzt! Er ist ein Aparuza …
Eine Hand glitt nach unten, über seine Taille, nach vorn zu seinem Bauch. Illyz schnappte erschrocken nach Luft, wollte unwillkürlich einen Schritt zurückweichen und drängte sich dadurch nur dicht an den warmen Körper, der ihn aufhielt.
»Ich … bitte, ich will das nicht«, stammelte er. »Nein!« Illyz riss sich los, hechtete zur Tür. Lieber im Sturm zugrunde gehen, als sich wehrlos …
Doch bevor er nach dem Riegel greifen konnte, erwischte Nandreju ihn am Unterarm und warf ihn herum. Illyz prallte unsanft mit dem Rücken gegen die Tür. Sofort schlug er zu, versuchte mit Fausthieben und Tritten den fremden Krieger von sich fernzuhalten. Nandreju blockte jeden Angriff mit solch unbekümmerter Lässigkeit, dass Illyz sich mit einem wütenden Schrei auf ihn stürzen wollte. Stattdessen landete er wieder mit dem Rücken an der Wand, seine Arme links und rechts von seinem Kopf festgenagelt von Nandrejus Händen, die ihn wie Eisenbänder hielten. Illyz erstarrte erneut – und ergab sich in seine Niederlage. Schwer atmend wandte er den Kopf ab, er wollte nicht in diese unirdischen Augen blicken müssen. Dieser Mann konnte mit ihm tun was er wollte, er war ihm so überlegen wie ein Adler dem Spatz.
Der Duft warmer Haut drang angenehm in sein Bewusstsein, der ihn an Äpfel und Teeblätter denken ließ. Nandreju hielt ihn noch immer bewegungsunfähig gefangen, dicht an ihn gedrängt, doch ohne ihm wehzutun. Illyz ließ den linken Arm sinken, als der ihm frei gegeben wurde, starrte weiterhin zur Seite. Eine Berührung am Kinn ließ ihn wie unter einem Schlag zusammenfahren. Nandreju streichelte ihm sanft über das Gesicht, über die Lippen, zwang ihn dabei behutsam, den Kopf zu wenden, bis Illyz schließlich nachgab und sich seinem Blick stellte. Er rechnete mit Triumph oder Gier; doch was er sah, war Sorge und Mitgefühl. Verwirrt stand er still, versank in den blauen Tiefen, suchte in diesem schmalen, ausdrucksstarken Gesicht nach den Worten, die Nandreju nicht sprechen konnte. Dieser Mann hätte ihn schon ein Dutzend Mal mit Gewalt nehmen können, aber das wollte er offensichtlich nicht. Ein trauriges Sehnen sprach aus diesen so beredeten Augen, das Illyz tief berührte. Mit der Offenheit eines kleinen Kindes, aber der schmerzlichen Vielfalt eines Erwachsenen, der schon seit viel zu langer Zeit nicht mehr behütet und beschützt worden war, ließ Nandreju ihn an all seinen Gefühlen teilhaben. Illyz spürte, dass er diesem Mann vertrauen konnte. Er würde ihn eher frei lassen, als gegen seinen Willen zu nehmen oder ihn zu verletzen. Als er schließlich fortblickte, war Illyz für einen Moment lang
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