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GB84: Roman (German Edition)

GB84: Roman (German Edition)

Titel: GB84: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Peace
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Rückzug. Der Dampf, der von den Pferderücken aufsteigt, mischt sich mit dem Regen, der die Schlacht von ihnen abwäscht
.
    Neil blinzelt. Er startet den Wagen, verlässt die Haltebucht und fährt nach Orgreave zurück –
    Neil hat Befehle für das hohe Tier der South Yorkshire Police auf dem Beifahrersitz liegen. Von der Eisernen Lady unterzeichnet, vom Juden versiegelt, nur persönlich zu überbringen.
    Massenverhaftungen. Massive Anklagen. Erschwerte Kautionsbedingungen

    So will sie es. So kriegt sie es –
    Sie kriegt immer, was sie will
.
    Neil steht im Regen auf dem Dach. Durch das nagelneue Fernglas beobachtet er die vereinten Truppen. Er sieht, wie zweiunddreißig Pferde entladen werden und 2.200 Polizisten in 96 Einsatzgruppen aus den Transportern steigen. Er sieht die feindlichen Horden durch sein Glas. Er erkennt den Präsidenten der NUM, sieht, wie dieser allein den Hügel hinabsteigt –
    Graue Hose. Schwarzer Anorak, blaue Baseballkappe, Regen im Gesicht

    Neil hat ihn im Blick.
    Die Streikbrecher hatten das Recht erwirkt, den Streik zu brechen, offiziell, legal. Niemanden schien das zu kümmern, keiner schien es zu bemerken. Außer Terry. Der Brennpunkt lag nun anderswo.
Orgreave
. Orgreave war jetzt alles. Alles musste nun in der Nähe von Orgreave geschehen. Die Wiederholung von Saltley Gate. Der Wendepunkt. Eine Frage des Stolzes. Drei Meilen von der Zentrale der Gewerkschaft entfernt, vor der eigenen Haustür. Eine Frage der Geschichte. Der Koks aus Orgreave ging zum Anchor.
Anchor
. Dem Stahlwerk bei Scunthorpe, das auch Ort der Auseinandersetzungen um Saltley gewesen war, 1974. Der Präsident erinnerte alle daran, dass 1974 sein Erfolg gewesen sei und er Heath und die Torys in die Knie gezwungen habe. Eine Schicksalsfrage –
    Sein Schicksal

    Der Präsident hatte es schon mal geschafft. Er würde es wieder schaffen –
    Diesmal würde er es allein schaffen. Diesmal hatte er keine Wahl.
    Die ISTC, die Vereinigung der in der Eisen- und Stahlindustrie engagierten Gewerkschaften, weigerte sich, den Koks aus Orgreave auf die schwarze Liste zu setzen.
    Der Präsident tobte. Er wütete, konnte keinen Unterschied zwischen Gewerkschaft und Management erkennen, zwischen Management und Regierung, Regierung und Polizei, Polizei und –
    Terry blickte von seinem Taschenrechner auf. Schon wieder starrte ihn Paul Hargreaves an.
    Du darfst nicht schlafen. Die Wochentage sind sieben Gruben. Fünfzig Tage ohne sie. Fünfzig Nächte. Dieser Verlust wird zur Routine. Diese Minuten. Diese Stunden. Diese Tage

    Das Telefon klingelt

    Fünfzig Tage. Fünfzig Nächte. Darfst nicht schlafen. Sieben Gruben

    Der Mechaniker hebt ab
.
    Sie gabeln ihn auf dem Rastplatz Scotch Corner an der A1 auf. Schwarzer Transit. Vier Mann hinten
.
    Sie geben ihm eine Donkeyjacke, Aufkleber. Aufnäher. Sporttasche

    Rauchbomben. Böller. Donnerschläge

    Kugellager
.
    Sie fahren ihn nach Sheffield und lassen ihn in einem Vorort namens Handsworth raus. Er geht die Handsworth Road entlang. Überall Polizei
.
    Ein paar Gewerkschaftler mit Aufklebern und Aufnähern stehen mit Klemmbrett und Flüstertüte in der Gegend herum. Sie rufen ihn zu sich und fragen ihn: »Wo kommst du her?«
    »Selby.«
    »Die Straße hoch«, sagen sie. »Gib auf dich acht. Die Bullenschweine teilen tüchtig aus.«
    Der Mechaniker nickt und geht die Straße entlang. Er verschwindet aus ihrem Blickfeld, verschwindet in der Schlacht

    Männer können sich im Kampf verlieren, können verschwinden

    Lass dir Zeit. Immer mit der Ruhe. Warte auf den richtigen Augenblick zum Angriff oder zum Rückzug

    Seine Entscheidung. Seine Wahl

    Glücklich, wer sich verliert
.
    Der Präsident war schwarz von der Schlacht. Er saß am Tischende, vor den Landkarten. Es hatte über zweitausend Streikposten gegeben, 84 Verhaftungen, 69 im Krankenhaus, 1.000 Tonnen waren verfrachtet worden.
    Paul, Terry und Mike trugen Anzug.
    Joan stellte eine Tasse Tee auf den Tisch neben die Karten. Der Präsident machte sich Notizen, steckte sie in Umschläge, steckte die Umschläge in die Tasche. Er sprach beim Schreiben, sprach über Saltley und Grunwick, Mao Zedong und Che Guevara, Chile und Bolivien –
    Sprach von den Tausenden, die morgen aufmarschieren würden.
    »Das NCB will reden«, flüsterte ihm Paul ins Ohr. »Über Zugeständnisse.«
    Der Präsident blickte auf, nickte und lächelte. »Da wette ich drauf«, sagte er.
    »Was soll ich ihnen sagen?«

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