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GB84: Roman (German Edition)

GB84: Roman (German Edition)

Titel: GB84: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Peace
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Ausschusstermin nach Annesley gefahren. Mit

ZWANZIGSTE WOCHE
    Montag, 16. Juli – Sonntag, 22. Juli 1984
    Neil Fontaine steht vor der Tür zur Suite des Juden im vierten Stock des Claridge’s. Er hört ihn im Schlaf wimmern und jammern, hört ihn weinen und klagen. Er steht vor der Tür zur Suite und fragt sich, wo heute Nacht nur die Engel sind. Die guten Engel mit ihren Flügeln –
    Die Lichter sind aus, die Schatten lang –
    Narben auf seinem Rücken
.
    Neil steht vor der Tür und lauscht dem Sommer –
    Drinnen.
    »… während des Falklandkrieges mussten wir gegen den äußeren Feind antreten …«
    Malcolm Morris hatte Clive Cook als Erster entdeckt

    Er hockte auf der Straße vor der Telefonzelle in Hoyland. Er war völlig fertig, Hemd offen, alle Knöpfe abgerissen, besoffen, verängstigt
.
    »Ich bin am Arsch«, wiederholte Clive ununterbrochen. »Am Arsch! Am Arsch!«
    Malcolm ließ Cole kommen, um Clives Wagen wegzuschaffen. Er verfrachtete Clive auf den Rücksitz und gab ihm noch ein Bier, damit er auch besoffen blieb
.
    Malcolm kutschierte ihn durch Mexborough und Doncaster nach Finningley. Er beobachtete ihn mit blutenden Ohren im Rückspiegel
.
    Malcolm fuhr in die Kaserne

    Drinnen Licht, draußen Dunkelheit. Es war Nacht, und das war gut. Nachts ändern sich die Dinge. Am Morgen sieht immer alles anders aus
.
    Clive wachte in dem Raum mit dem Spiegel auf. Er hatte frische Wäsche an. »Ich möchte jetzt nach Hause«, sagte er. »Ich möchte nach Hause.«
    »Okay«, meinte Malcolm. »Ich hole den Wagen.«
    Noch bevor Malcolm an der Tür war, fiel es Clive wieder ein. »Nein, warte, ich kann nicht …«, sagte er
.
    »Was denn?« fragte Malcolm
.
    Clive sah ihn an. »Ich will nicht mehr nach Hause. Ich bin am Arsch.«
    »Entspann dich«, beruhigte ihn Malcolm. »Sie wird jeden Augenblick hier sein. Dann kommt alles in Ordnung.«
    Clive nickte, dann Malcolm. Clive lächelte, Malcolm erwiderte es

    »Das ist gut«, sagte Clive. »Sehr gut. Diane wird alles ins Lot bringen.«
    »… aber der Feind in den eigenen Reihen, der sehr viel schwieriger zu bekämpfen ist, stellt für die Freiheit eine mindestens ebenso große Gefahr dar …«
    Neil Fontaine holt den Juden in den frühesten Morgenstunden ab. Der Vorsitzende und der Große Finanzier tragen den Juden aus der Wohnung am Eaton Square nach unten in den Mercedes. Sie haben mal wieder einen Jeroboam geleert. Der Jude will, dass Neil die Innenseiten der Scheiben hinten im Wagen mit schwarzen Tüchern verhängt und die Elegie aus Tschaikowskys
Serenade in C-Dur für Streichorchester, Opus 48
spielt. Er verlangt es –
    Neil rast mit hundertfünfzig Sachen über die M1, der Jude schläft auf dem Rücksitz –
    Neil fährt gern durch die Nacht in den neuen Tag hinein. Dem Licht entgegen –
    Der Jude erwacht im Dunkeln. Er ist verwirrt, hat einen Kater. Er klopft gegen die Trennscheibe. Neil lässt das Glas herunter.
    »Wo fahren Sie mich hin, zum Henker?« will der Jude wissen.
    »Nach Oxton, Sir.«
    Der Jude müht sich sichtlich zu verstehen, warum um alles in der Welt Neil ihn ausgerechnet nach Oxton bringen will.
    »Grey Fox, Sir.«
    Der Jude lässt sich zurückplumpsen und seufzt. »Ach ja.«
    Neil schaltet den Tschaikowsky aus.
    Der Jude beugt sich wieder vor und fragt: »Können wir irgendwo anhalten, Neil?«
    Neil verlässt die M1 am nächsten Rastplatz. Leicester Forest East. Er parkt zwischen den Lastern und Reisebussen.
    »Bitte sagen Sie mir, dass Sie meine Fliegerjacke dabeihaben«, fleht der Jude.
    Neil nickt. »Zusammen mit einem Satz frischer Wäsche, Sir.«
    »Sie sind ein Juwel, Neil, das reinste Juwel.«
    »Danke, Sir«, erwidert Neil. Er steigt aus, öffnet den Kofferraum und nimmt einen kleinen Koffer und die abgewetzte Fliegerjacke mit dem blutbefleckten Kragen heraus. Er schließt den Kofferraum und macht die hintere Wagentür auf. Der Jude steigt aus, in die Sonne. Er hat seine Sonnenbrille und den Panamahut gefunden.
    Neil zeigt in eine Richtung und erklärt: »Ich glaube, die Toiletten befinden sich in dieser Richtung, Sir.«
    »Sehr gut, Neil«, sagt der Jude.
    Neil reicht ihm den kleinen Koffer.
    »Danke, Neil.«
    Neil blickt dem Juden nach. Der Jude trägt einen cremefarbenen Frack – nach Art der Husaren kurz geschnitten – mit Goldbrokatbrust und passenden Epauletten. Seine Reithosenbeine stecken in den Stiefeln. Bevor er die Toilette betritt, nimmt er den Hut ab.
    Neil zündet sich eine Zigarette an und

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