Gears of War - Aspho Fields
IRGENDWO NORDÖSTLICH DER CMS »POMEROY«
Der Flotten-Wetterdienst hatte mit dem Wetter recht behalten, sich aber in der Zeit getäuscht.
Kurz nach Sonnenuntergang hatte der Wind angezogen. Die Kalona stampfte. Carlos war nicht übel – noch nicht –, aber zuzuhören, wie immerzu andere Gears aus ihren Kojen purzelten und zur Schüssel rannten, ließ ihn befürchten, dass er sich auch bald übergeben müsste. Solange er das Kotzen nicht hörte, war er okay. Wirklich. War er.
Er probierte, ob er die Bewegung des Schiffes weniger deutlich spürte, wenn er die Augen schloss oder sich auf einen festen Punkt an der Täfelung über seiner Koje konzentrierte. An der Verkleidungsleiste hafteten Reste von abgeschältem Papier, wo ehemalige Besatzungsmitglieder Bilder angeklebt und dann vorsichtig wieder abgezogen hatten, nachdem ihre Dienstzeit abgelaufen war. Nichts wies daraufhin, was auf ihnen abgebildet gewesen war. Carlos stellte sich Ehefrauen vor und Freundinnen, Kinder, vielleicht auch Ehemänner, denn es gab so manches weibliche Besatzungsmitglied.
Wir sind spät dran.
Vielleicht wurde wegen des schlechten Wetters abgebrochen.
Er sah auf seine Uhr. Er konnte gerade so die Anzeige sehen; es war nach 2430, also mitten in dem, was hier Ruhezeit genannt wurde, aber es war alles andere als still. Die meisten Soldaten der C-Kompanie – diejenigen, die nicht gerade den Porzellangöttern opferten – schienen zu dösen. Stetes Geschnarche rasselte um ihn herum, aber hinter dem geöffneten Schott den Gang hinunter herrschte lebhaftes Treiben im Schiff. In ein paar Stunden, bei Flut, würden die Landungsboote aus dem Rumpf der Kalona gleiten und Kurs auf den Strand nördlich von Aspho Point nehmen.
Wir sind spät dran.
Das Schiff kam jetzt richtig ins Schlingern. Carlos konnte nicht sagen, ob sie vor Anker ritt oder nur kleine Kreise zog. Über Schiffe wusste er bis auf ein paar Brocken, die er beim Drill und am vorigen Tag aufgeschnappt hatte, so gut wie nichts. Dann hörte er Stoff rascheln. Jemand ging die Reihen der Kojen entlang und dann legte sich eine Hand auf seine Schulter.
»Private Santiago?« Ein junger Matrose beugte sich vor, um zu flüstern. Er hielt einen Notizzettel in der Hand. »Sind Sie Carlos Santiago?«
»Ja.«
»Eine Nachricht von der Pomeroy. Sie haben eine Nichte, Sylvia Carla.«
»Oh, wow … Danke.« Carlos vergaß seinen Magen. Arme Maria; das Kind war früh dran und Dom war weit weg von zu Hause, irgendwo draußen auf dem schwarzen Ozean. »Kann ich Dom eine Nachricht schicken?«
»Wer ist Dom?«
»Mein Bruder. Der Vater des Kindes.«
»Ich habe nur diese Mitteilung vom KO der Pom. Der Funkverkehr ist für alle nicht einsatzbedingten Nachrichten gesperrt, deswegen bin ich überrascht, dass das hier überhaupt durchgegangen ist. Ich werde sehen, was sich machen lässt.«
»Danke, Kumpel. Falls du dazu kommst, sag … ach, ich weiß auch nicht. Sag Dom, die Drinks gehen auf mich.«
Der Matrose schlich wieder davon. Die Koje über Carlos knarrte und Marcus beugte sich kopfüber hinunter.
»Na sieh mal an, Glückwunsch, Onkel Carlos.« Marcus gab ihm einen freundschaftlichen Schlag gegen die Schulter. Er war kein großer Umarmer und Rückenklopfer, also war es für ihn eine große Sache. »Guter Missionsanfang.«
»Und vergiss nicht, du bist Onkel Marcus …«
»Hey, Santiago!« Anscheinend schlief der Rest der Nicht-Kotzer doch nicht. »Sag bloß, dein kleiner Bruder hat seiner Alten schon wieder eins gemacht.«
»Ja, ein kleines Mädchen.«
Jetzt gingen natürlich die ganzen Sprüche los, Stimmen aus jeder Ecke des Decks. »Dom muss ja alles über Windeln wissen, der hat ja selbst noch welche an …«
»Diese Commando-Typen bekommen einfach zu viele Vitamine.«
»Was habt ihr Santiagos eigentlich vor, ’ne eigene Armee ausbrüten?«
Eines nach dem anderen gingen die schwachen Schottlichter an. Nur ein paar Gears schnarchten weiter. Das Lautsprechersystem erwachte zum Leben.
»Mechanikermannschaft für Landungsboote aufs Welldeck. Gear-Kommando um fünfundzwanzig-dreißig zur Besprechung aufs Hangardeck.«
»Bedeutet das, alles ist abgeblasen?« Das war das Letzte, das Carlos jetzt brauchte. Er war über den Punkt, dem Ganzen den Rücken zu kehren, hinaus. Er war aufgeputscht und bereit für den Kampf, auch wenn ihm die Vorstellung, am Strand anzulanden, mehr Magenschmerzen bereitete als der Kampfeinsatz als solcher. »Och, Scheiße.«
Wenn sie es richtig anstellten,
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