Gebannt: Band 3 (German Edition)
mich getäuscht. Alles an ihm war jetzt totenstill. Ich wartete, aber da war nichts.
Das ist es.
Ich fing an, mich zu ihm umzudrehen, aber er hielt mich mit den Armen fest, um mich daran zu hindern.
» Violet«, sagte er, seine Stimme war leise und voller Verlangen. » Nicht. Umdrehen.«
Ich lächelte. Eine Welle der Enttäuschung von meiner bösen Hälfte und eine der Erleichterung von meiner besseren Hälfte schwappten über mich hinweg. Ich würde ihm seine Seele nicht rauben.
Nicht heute Abend.
» Glaub nie, dass ich stark bin, Linc. Nicht, wenn es um uns beide geht. Ich bewege mich verdammt nah an einem Abgrund, immer kurz davor hinabzustürzen.« Meine Wahrheit. Und meine Warnung.
Er machte es sich hinter mir gemütlich, lockerte seinen Grif f und küsste mein Haar, bevor er mir zuflüsterte: » Nun, das sind ja dann schon zwei Abgründe. Damit lässt sich arbeiten.«
Ich wollte nicht schlafen, wollte keinen Augenblick dieses Gefühls der … Nähe verpassen.
» Versprich mir, dass wir einen Weg finden«, murmelte ich. Denn Hoffnung musste es geben, oder? Hoffnung, dass eines Tages …
Mein Körper entspannte sich, mein Geist wurde ruhig, meine Seele war vorerst befriedigt. Innerhalb von Sekunden war ich eingeschlafen, aber erst als ich gehört hatte, wie er » Versprochen« flüsterte.
Als ich am Morgen aufwachte, war ich allein. Doch ich wusste, dass er den größten Teil der Nacht bei mir verbracht hatte, spürte, wo sein Arm mich festgehalten hatte.
Ich ging hinaus und fand ihn schlafend au f dem Sofa vor. Irgendwann würde Spence aufwachen, und Lincoln würde es nicht riskieren wollen, dass er denken könnte, zwischen uns wäre was gelaufen. Ich hatte Gewissensbisse, die schon vorher absehbar gewesen waren. Ich wusste, das würde mich teuer zu stehen kommen. Uns beide. Diese eine Bitte zu bleiben. Ich spürte bereits förmlich das Wiederaufblühen des Schmerzes, ihm so nahe gewesen zu sein.
Trotz der Versuchung, ihn aufzuwecken und ihm dafür zu danken, dass er sich um mich gekümmert hatte, entschied ich mich dagegen. Er würde sowieso wieder nur in eine seine Gardinenpredigten verfallen, in denen er mir sagen würde, dass wir niemals zusammensein konnten, und das wusste ich bereits. Außerdem sah er so friedlich aus, so schön, dass ich es einfach nicht fertigbrachte.
Stattdessen schrieb ich ihm eine Notiz mit sorgfältig gewählten Worten, weil ich wusste, dass Spence sie ebenfalls sehen könnte.
Danke, dass du mir letzte Nacht einen Platz zum Schlafen gegeben hast, und danke auch für die extra Decke.
Vi.
Weil er eine ausgesprochen tolle extra Decke gewesen war und ich hoffte, dass ihn meine Worte, nur dieses eine Mal, zum Lächeln bringen würden, anstatt zum Stirnrunzeln.
Kapitel Vierzig
» Jeder Mensch hat sein eigenes Schicksal: Die einzige Notwendigkeit besteht darin, ihm zu folgen, es zu akzeptieren, gleichgültig, wohin es ihn führt.«
Henry Miller
Ich konnte nicht stillsitzen, deshalb kaufte ich mir einen Kaffee und einen Blaubeermuffin und spazierte los. Dabei genoss ich den Frieden, den es mit sich bringt, wenn man einige Zeit allein durch die Straßen der Stadt läuft.
Ich schlenderte durch den Park, in dem Lincoln und ich diesen Verbannten zurückgeschickt hatten, und spazierte unter der Bäumen hindurch, die ich als Deckung benutzt hatte. Vieles war geschehen seit jener Nacht. Lincoln und ich hatten so hart daran gearbeitet, uns voneinander fernzuhalten, und dennoch … Wir wurden einfach zueinander hingezogen. Es war größer als wir, größer als die Engel sogar, es zwang uns dazu, einander zu wollen und zu brauchen. Nach ein paar Stunden in seinen Armen fühlte ich mich so gut wie seit Monaten nicht mehr.
Während ich meinen Kaffee trank und an meinem Muffin knabberte, überraschte ich mich selbst mit einem Lächeln. Nicht weil alles gut werden würde, sondern weil ich endlich eingesehen hatte, dass ich nicht alles kontrollieren konnte. Ich war eine Grigori. Eine Kriegerin. Ich würde immer kämpfen und mein Bestes tun, um Verbannte daran zu hindern, unschuldige Menschen zu quälen. Ich würde mein Leben aufs Spiel setzen, um dafür zu sorgen, dass andere das nicht tun mussten. Und was dabei herauskam, entzog sich meiner Kontrolle. Mein Lächeln wurde breiter, ich zog Lincolns Mantel fest um mich herum und atmete seinen Duft ein.
Er liebt mich doch.
Phoenix hatte gewonnen. Lilith wiederauferstehen zu lassen hatte einen Albtraum über unsere Welt gebracht, aber
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