Gebieter meines Herzens: Sie war einem anderen versprochen - doch er entflammte ihre Leidenschaft (German Edition)
ein Irrgarten von verschieden großen, durch schmale Gänge verbundenen Räumen und einem großzügigen Treppenaufgang. Susanna hatte ihre Tante nie besucht. Sie hatte vor deren Tod nicht einmal gewusst, dass es sie gab. Aber sie fragte sich von Zeit zu Zeit, insbesondere, wenn sie von einem Teil des Hauses in einen anderen ging, ob Mary Tyemorn Manor wohl auch so reizvoll sonderbar gefunden hatte, wie sie es tat.
Auf der Südseite des Gutshauses hatte man irgendwann auf einen Anbau einen kleinen, achteckigen Turm gesetzt, durch den zwei zusätzliche Räume mit einem ungewöhnlichen Grundriss gewonnen worden waren. Im ersten Stock residierte derzeit Mrs Parker, und James sollte das Zimmer in der zweiten Etage bekommen. Wenn man die einander gegenüberliegenden Fenster öffnete, brachte die stets wehende leichte Brise angenehme Kühle, und die Aussicht war in beiden Stockwerken atemberaubend.
»Ich hoffe, er ist nicht so unangenehm wie Mrs Parker«, sagte Polly, während sie ein Kissen aufschüttelte.
»Niemand ist so unangenehm wie Mrs Parker.« Gott sei Dank, dachte Susanna. Die Frau begrüßte sie jeden Morgen mit einer ganzen Liste von Beschwerden.
»Wie lange werden die beiden Männer bleiben?«, erkundigte sich die Haushälterin und holte einen zweiten Satz Bettwäsche aus dem Schrank.
»So lange, wie ich ihre Abreise verhindern kann«, antwortete Susanna.
Polly sah sie fragend an, doch sie hatte jetzt keine Zeit für Erklärungen. Zuallererst musste sie Old Ned überreden, bei ihrem kleinen Ränkespiel mitzumachen. Als sie in die Küche kam, saß er bereits am Tisch, die Kappe neben sich und die Nase in einem Becher, aus dem Whiskyduft aufstieg.
Am Herd stand die Köchin und rührte in dem Stew, das es zum Abendessen geben sollte, aber anstatt die Frau hinauszuschicken, überlegte Susanna sich, dass sie, wenn ihr improvisierter Plan klappen sollte, vielleicht auch ihre Unterstützung brauchen würde.
Sie setzte sich zu Old Ned und wartete geduldig darauf, dass er seinen Becher leerte. Es hatte keinen Sinn, ihn zu drängen – Ned tat, was er wollte und wann er es wollte, ohne Rücksicht auf ihre Wünsche.
Die Köchin war groß für eine Frau, breitschultrig wie ein Mann und von einer Leibesfülle, die beredtes Zeugnis von ihren Kochkünsten ablegte. Hohe Backenknochen verliehen ihrem auffallend schmalen Gesicht etwas Slawisches. Die Lippen waren so dünn, dass der Mund wie ein Strich wirkte, und die spitze, lange Nase darüber sah aus, als hätte Gott sie mit zwei Fingern gepackt und mit aller Ihm zu Gebote stehenden Kraft daran gezogen. Obwohl ihre Züge streng wirkten, war sie eine ausgesprochen umgängliche Person. Ihr Name war Feona, und auch sie hatte Susanna sich aus dem Dorf geholt.
Die Küche war unverhältnismäßig groß, als hätte man sie als ersten Raum eines bedeutend größer geplanten Hauses erbaut. Zwei Tische mit Bänken reichten schmalseits von einer Wand zur anderen, und die riesige Feuerstelle an der einen Wand war so hoch, dass ein Mann aufrecht unter dem Rundbogen hätte stehen können. Aber gekocht wurde hauptsächlich auf dem neuen Eisenherd.
Schließlich hatte Old Ned seinen Becher geleert und seufzte zufrieden.
»Ich war gerade dabei, den Bewässerungsgraben zu reinigen, als Ihr mich rufen ließet«, sagte er. »Ich hoffe, ich musste meine Arbeit aus einem guten Grund liegenlassen.«
Er schien nicht zu realisieren, dass er bei ihr angestellt war, ebenso wenig wie Mrs Parker, doch vor die Wahl gestellt, war Old Neds Sturkopf ihr bedeutend lieber. Wenigstens lag Tyemorn Manor ihm am Herzen.
Obwohl sein Haupthaar nur ein paar graue Fäden durchzogen, waren seine dichten Brauen, der Schnäuzer und der spitze, bis auf seine Brust reichende Vollbart schlohweiß. Doch die braunen Augen blickten manches Mal beinahe jugendlich drein.
»Ned«, begann sie in verschwörerischem Ton, »ich brauche Eure Hilfe. Was ich Euch gleich sagen werde, darf diesen Raum nicht verlassen.« Sie fing den Blick der Köchin ein, und die Frau nickte. »Habe ich Euer Wort darauf?«
Ned sah sie scharf an, überlegte und nickte schließlich widerstrebend.
Susanna wusste, dass sie sich damit zufriedengeben musste, und erläuterte, was sie sich ausgedacht hatte.
»Es fehlen keine Lämmer.«
Susanna musste sich beherrschen, um ihn nicht anzufahren. »Das weiß ich – aber Ihr müsst im Moment so tun, als ob.«
Polly kam herein und blickte fragend von einem zum anderen.
»Warum sollte ich das
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