Gebieter meines Herzens: Sie war einem anderen versprochen - doch er entflammte ihre Leidenschaft (German Edition)
Gegenteil«, widersprach er. »Sie erinnert mich an Ruinen, die ich in Italien gesehen habe.«
Sie legte die Hand auf die Mauer. »Ursprünglich muss sie viel höher gewesen sein, sonst hätte sie ja niemanden schützen können.«
»Oder fernhalten.«
»Genau.«
In stiller Eintracht blickten sie einander an.
Riona lehnte sich an die Mauer, während hoch über ihnen schwarze Wolken am Himmel dahinflogen. Warme Windstöße brachten aufgewirbelten Staub mit. Sie strich sich ungeduldig Haare aus dem Gesicht, ein sinnloses Unterfangen. James hätte gerne mit beiden Händen zugegriffen und sie festgehalten, um Riona eine Verschnaufpause zu verschaffen.
»Wir sollten machen, dass wir nach Hause kommen«, meinte Riona, drehte sich jedoch in den Wind und schloss die Augen. In diesem Moment schien sie eins mit den Elementen zu sein. Eine kecke Bö blähte ihren Rock. Lächelnd drückte sie ihn mit den Händen herunter.
Während James sie betrachtete, wurde ihm plötzlich klar, dass er sich nicht von ihr trennen wollte. Bis zu ihrer Hochzeit wollte er jeden Augenblick, den sie erübrigen könnte, mit ihr verbringen, dazu nutzen, möglichst viel über sie zu erfahren, was sie dachte, woran sie glaubte, was sie erheiterte, was sie traurig machte.
»Wir sollten machen, dass wir nach Hause kommen«, wiederholte er ihre Worte, doch auch er rührte sich nicht vom Fleck.
Riona wandte sich ihm zu und schaute ihm in die Augen.
Es begann zu regnen, aber nur so leicht, dass sie neben der alten Mauer stehenblieben. Was hatten diese Backsteine in all den Jahrhunderten gesehen? Sicherlich mehr als ein Paar. Hatte ein Jahrhundert zuvor wohl schon einmal eine Frau einen Mann hier in Versuchung geführt? Zwei Jahrhunderte zuvor? Hatte schon einmal ein Mann hier einen Kampf mit seiner Ehre ausgefochten wie er, James, es jetzt tat?
Er sollte Riona warnen. Sie befand sich in Gefahr. Es konnte sein, dass er sich alles Mögliche einzubilden begann, wenn sie es nicht widerlegte. Dass sie ebenso mit ihrem Gewissen haderte wie er. Dass ihr mehr an ihm lag als an Harold.
Um ihrer Sicherheit und seinem Sinn für Anstand und Sitte willen sollte er den Bann brechen, indem er sie zum Sprechen brächte.
Erzähl mir von Harold. Von Edinburgh. Aber, ich flehe dich an, hör auf, mich mit diesen Augen anzusehen, die den Himmel über uns spiegeln. Und schau nicht drein, als würdest du gleich in Tränen ausbrechen.
Der Regen wurde stärker, und James nahm Riona beim Arm und zog sie unter einen ausladenden Felsvorsprung.
In der Nähe zuckte ein Blitz hernieder, und Donner grollte und hallte in dem Tal wider, bis es schien, als wüteten zwei Unwetter über ihnen. Der Boden unter ihren Füßen bebte, als wäre die Naturgewalt ein Liebhaber und die Erde eine hingebungsvolle Partnerin.
Riona würde heiraten, und, was noch schlimmer war, sie behütete ihren Zukünftigen, als wäre er ein Heiliger, weigerte sich, über Harold zu sprechen, als würde sie damit seinen Namen besudeln.
»Wie viele Tage sind es noch bis zu Eurer Hochzeit?«, fragte er ungewollt schroff.
Riona schaute zu ihm auf und wurde ernst. Wenn sie nur nicht so hübsch aussähe.
»Ist das wichtig?«, antwortete sie mit einer Gegenfrage.
»Eigentlich nicht.« Wenn er nur geschwiegen hätte.
»Es ist keine Liebesheirat, James.« Sie hielt seinen Blick fest. »Eher eine Notwendigkeit.«
Was für ein Mensch war er, dass er sich freute, Kummer in den silbergrauen Augen zu sehen, dass ihm das Herz im Leib hüpfte ob ihres traurigen Tons?
»Wie ist das zu verstehen?« Seine Stimme klang ruhig, ließ den Tumult in seinem Innern nicht erkennen.
Rionas Worte hatten einen Taifun in ihm ausgelöst. Es ist keine Liebesheirat.
Sie drehte den Kopf weg und schaute zu dem fernen Wald hinüber. »Spielt das eine Rolle? Tatsache ist, ich muss ihn heiraten.«
»Warum?« Er wusste selbst nicht, weshalb er es unbedingt erfahren wollte. »Seid Ihr es Eurer Familie schuldig? Seid Ihr einander seit Kindertagen versprochen?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Warum, Riona?«
Endlich sah sie ihn wieder an. Sie standen unter dem Schieferdach wie auf einer einsamen Insel, gefährlich dicht beieinander.
Sein Gewissen ermahnte ihn, einen Schritt zurückzutreten, doch er hörte nicht darauf.
»Bitte fragt mich nicht, James.« Ihre Stimme klang erstickt, und ihre Augen schwammen plötzlich in Tränen.
»Was ist Euch?«, fragte er erschrocken.
Eine Träne rollte ihr über die Wange und wurde mit einer zornigen
Weitere Kostenlose Bücher