Gebieterin der Finsternis
Macs göttliche Essenz war so grell, dass Artemis gar nicht richtig hinsehen konnte, und seine Macht raubte ihr den Atem. Er war unvorstellbar stark, unvorstellbar lebendig. Unsterblich. Sie sagte sich, dass der eine Tropfen seiner Seele, den sie brauchte, nichts war. Als würde man einem Milliardär einen Penny stehlen. Trotzdem blieben ihre Schuldgefühle, denn ein Diebstahl war nun einmal ein Diebstahl.
Doch sie würde nicht kneifen. Nicht jetzt, wo sie Sanders Rettung noch einen Schritt näher war. Artemis wagte kaum zu atemen, als sie Macs Lebensessenz berührte. Zauberworte der Lebens- wie der Todesmagie flüsternd, nahm sie einen einzigen Strahl seiner Lebensessenz in sich auf.
Der Schwall strahlend heißer Energie war fast zu viel für sie. Ihr wurde schwindlig. Macs Lebensessenz war intensiver als die einer ganzen Elfenstadt – vollkommen rein, leuchtend,
gut
. Tränen brannten in Artemis’ Augen.
Seine Seele war wild und frei wie das Königreich seines Vaters, das Meer. Zugleich war sie fruchtbar und sexuell wie die Erde, das Sidhe-Reich. Artemis wünschte, sie könnte verharren, ihn besser kennenlernen, doch das wagte sie nicht. Es wurde höchste Zeit, die Verbindung zu trennen.
Leider fehlte ihr die Willenskraft dazu. Die Versuchung war zu groß, ihn zu kennen, richtig zu kennen. Sie zog sie an wie ein Magnet. Solch eine Verbundenheit existierte nicht in der Liebe, und sie war eine Närrin, auch bloß an das Wort zu denken. Dennoch bot die körperliche und geistige Einheit Artemis eine kurze Chance, weiter in seine Seele einzudringen. Und wenn sie vorsichtig war, würde er es nie erfahren.
Natürlich war das falsch, da machte Artemis sich nichts vor. Wenigstens zu sich selbst war sie stets ehrlich. Ein Teil von ihr schrie, sie solle aufhören, nur war dieser Teil schwach und würde ihrem überbordenden Wunsch unterliegen. Sie wollte nichts sehnlicher, als Mac ein letztes Mal wirklich nahe sein.
Also schloss sie die Augen und wagte sich weiter auf dem Weg vor, den sie mit ihrer Magie geöffnet hatte. Weiter in Macs Lebensessenz. Was sie dort entdeckte, wunderte sie sehr.
Nicht etwa der Beweis, dass Mac gütig und ehrbar war. Schließlich war er ein Geschöpf der Lebensmagie, und sie hatte seine unendliche Güte bereits gespürt. Nein, vielmehr erstaunte sie seine unerwartete Verletzlichkeit. Solche menschliche Schwäche wollte einfach nicht zu seinem kecken, selbstbewussten Gebaren passen.
Sie sah einen Halbgott, der sich nichts mehr wünschte als Liebe – menschliche Liebe. Mac fragte sich, ob er sie verdiente, ob er sie jemals finden würde, ob die Chance bestand, dass eine menschliche Frau über das hinwegsah,
was
er war, und erkannte,
wer
er war. Gleichzeitig hatte er Angst davor, es herauszufinden. Seine ausgeprägte Kleinjungenfurcht rührte Artemis.
Wer hätte das gedacht?
Sie fühlte, wie Macs Geist sich regte. Seine Ekstase ließnach. Hastig zog Artemis sich zurück. Verdammt, sie war zu lange geblieben! Ihr Bewusstsein auf den eigenen Körper und die eigene Seele zu beschränken schmerzte, sehr sogar, denn sie hätte bleiben wollen, ihn festhalten, Teil von ihm werden.
Ja, sie wollte ihn lieben.
Der Gedanke raubte ihr den Atem. Ihn lieben? Wem machte sie hier etwas vor? Sie hatte soeben seine Seele auf die schrecklichste, hinterhältigste Weise verletzt. Sobald er wieder bei klarem Verstand war, wäre das einzige Gefühl, das er für sie aufbrachte, Ekel.
Sie spürte, dass etwas Kostbares gestorben war. Wie lächerlich, wenn man berücksichtigte, dass sie Mac von Anfang an belogen hatte. Sie musste ihren Kummer verdrängen. Darin war sie mittlerweile sehr gut. Dann brach sie den Zauber. Macs Orgasmus verklang, sein Körper entspannte sich, und auch aus seinem Gesicht wich die Anspannung. Gleichzeitig wurde er weicher in ihr. Ein mattes Lächeln umspielte seine Lippen.
Artemis rang mit den Tränen, während sie seine gestohlene Lebensessenz in ihrer Seele verschloss. Als sie sich auf die Knie aufstützte und sein Glied aus ihr herausglitt, kam es ihr wie ein entsetzlicher Verlust vor. Sie wollte gerade von ihm heruntersteigen, als er die Augen aufschlug und sie fragend ansah.
Sein Blick lähmte sie.
Er hatte sie ertappt.
Wie lange sie regungslos verharrte – nackt, schuldbewusst auf seine Wut wartend – konnte sie nicht einmal raten. Es schien wie eine halbe Ewigkeit. In Wirklichkeit waren es wohl nur einige Sekunden.
Dann aber verschwand die kleine steile Falte zwischen
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