Gebieterin der Finsternis
machen?«, fragte Niniane.
»Ja, das ist die Frage«, sagte Briac. »Das schiere Ausmaß an Todesmagie, das nötig ist, um in dieser Kammer ein Dämonenportal zu öffnen, hätte sie umbringen müssen. Ihre Leiche sollte uns zu Füßen liegen.«
Saraid schlurfte vor, auf ihren Stock gelehnt. Ihre Mundwinkel waren weit nach unten gezogen. »Seelentrennung.«
»Ach ja«, hauchten Enid, Enys und Erlina im Chor. »Natürlich.«
Mac gefiel nicht, was er hörte. Manche Hexen und Zauberer, sehr wenige, konnten vorübergehend ihre Seele von ihrem Körper trennen. Ein gefährliches Unterfangen, wenngleich bisweilen recht nützlich, und er bezweifelte nicht, dass Artemis diese Fertigkeit beherrschte. Aber noch nie hatte er gehört, dass jemand die Technik nutzte, um ein Dämonenportal zu öffnen.
»Erklärt es mir«, forderte er die Schwestern auf.
Enids blaue Augen blinzelten. »Ein richtiges Dämonenportal in dieser Kammer zu öffnen hätte sie auf der Stelle getötet. Eine clevere Hexe hingegen kann einen schmalen Spalt in der Realität öffnen, in dem ihr nichts passiert.«
»Und weiter?«
Enys fuhr fort: »Sobald die Hexe den Spalt geöffnet hat, trennt sie ihre Seele von ihrem Körper. Die Seele schlüpft durch die kleine Öffnung, während ihr Körper zurückbleibt.«
»Aber ihr Körper ist nicht hier«, konstatierte Mac.
»Im dritten Teil des Zaubers«, übernahm nun Erlina, »wirkt die Hexenseele Todesmagie aus dem Dämonenreich und dehntdas Portal weit genug, dass der Körper hindurchkann. Danach bricht sie allerdings in dem Gang zusammen. Alles in allem ein höchst heikles Manöver, das nur die wenigsten Menschen zustande bringen.«
Macs Bewunderung wuchs ins Unermessliche. Gut? Von wegen! Die Frau war erstaunlich.
Aber würde ein ungeborenes Kind, erst kürzlich gezeugt, das überleben?
Er wollte auf das Podest klettern, doch Saraid hielt ihn zurück, indem sie ihm ihre faltige Hand auf den Arm legte. »Die Hexe ist gefährlich. Sei auf der Hut, Mac Lir, denn sie lockt dich womöglich in einen Kampf, den du nicht gewinnen kannst.«
»Lass mich nur, Saraid.«
Er sprang aufs Podest und richtete seine Sinne auf den sich kräuselnden Rauch. Sein Geist berührte einen kaum verheilten Riss in Raum und Zeit, den Artemis geöffnet und wieder geschlossen hatte. Dahinter lag reinster Tod.
Seine Erleichterung angesichts ihrer Flucht schwand. Hatte sie ein abscheuliches Schicksal gemieden, um sich direkt in ein anderes zu stürzen? Wenn sie schon die Macht besaß, der Sidhe-Ratskammer zu entkommen, warum hatte sie sich dann kein angenehmeres Ziel gewählt? Paris? Hawaii? Sibirien? Die wenigsten Menschen betraten freiwillig ein Totenreich.
Es sei denn, sie hatten einen sehr guten Grund, es zu tun. Sein Magen fühlte sich an, als hätte er Säure getrunken. Auch wenn er es ungern zugab, wiesen alle Zeichen in eine Richtung. Artemis hatte vorgehabt, den mit Lebensessenz getränkten Mondstein einem Dämon zu übergeben.
Das war die Hölle! Kein Wunder, dass sie gelogen und sein Hilfsangebot abgelehnt hatte. Hätte er etwas gewusst, er hätte alles getan, was in seiner Macht stand, um sie aufzuhalten.
Der betreffende Dämon musste ein Ewiger sein, denn einen niederen könnte Artemis gewiss vernichtend schlagen. Sollte der Mondstein Bezahlung oder Lockmittel sein? Wofür? Was wollte sie von ihm, dass sie ihre Seele riskierte, um es zu bekommen? Etwas, das mit dem Jungen auf den Bildern zu tun hatte. Ja, das musste es sein. Mac hatte ihren Blick bemerkt, als sie die Photos von ihrem Sohn ansah. Sie liebte ihn, wahrscheinlich mehr als ihr eigenes Leben. Hatte der Dämon ihr das Kind geraubt? War die gestohlene Lebensessenz ein Lösegeld?
Falls ja, wäre der Ewige nicht angetan, wenn Artemis mit leeren Händen kam. Er würde einen Ersatzpreis verlangen. Und Mac konnte sich ziemlich gut vorstellen, wie der aussah. Abrupt richtete er sich auf und schritt den Podestrand ab. Vor einem Jahr, als Leanna verschwand, war Mac außerstande gewesen, ihr zu folgen. Damals war er noch ein rein lebensmagisches Wesen, und im Totenreich hätte er nichts ausrichten können. Aber heute … heute war alles anders, denn nun war die Finsternis ein fester Teil seiner Seele.
»Mackie, komm da runter.« Niniane stand wenige Schritte vor dem Podest. »Die ganze Kammer stinkt nach Todesmagie. Sie ist ruiniert, vergiftet. Wir müssen sie verschütten und eine neue graben.«
Sie hatte die Hände in die Hüften gestemmt. »Wie überaus
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