Gebieterin der Finsternis
gut.«
»Ist er tot?«, fragte Mac unverblümt. »Ist es das, worum es hier geht? Um einen wahnwitzigen Plan, dein Kind aus der Unterwelt zurückzuholen? Du weißt, dass das nicht funktioniert. Es klappte schon bei Orpheus nicht, Süße, und wird es auch bei dir nicht.« Sein Ton wurde kaum merklich weicher. »Für solche Dinge gelten Regeln, Artemis, universelle Regeln, gegen die selbst ein Gott machtlos ist, egal wie sehr du es dir wünschst.«
»Sander ist nicht tot«, erwiderte sie tränenerstickt. »Er ist im Krankenhaus. In Philadelphia.«
Sie fühlte Macs Verwunderung. »Und wieso bist du nicht bei ihm? Wozu kommst du stattdessen nach Schottland und greifst Elfen an? Dir ist doch klar, dass gestohlene Lebensessenz nichts nützt. Dämonen ebenfalls nicht. Wieso machst du einen Deal mit Malachi? Was in aller Welt bezweckst du, Artemis?«, fragte er schärfer. »Und warum erzählst du es mir nicht?«
»Weil du mir nicht helfen kannst«, sagte sie kleinlaut. »Auf der Erde und in Annwyn ist deine Lebensmagie furchteinflößend. In der Hölle ist sie so gut wie wertlos.« Sie hob den Kopf. »Aber du hast in Malachis Reich Todesmagie benutzt. Wie?«
»Nun mal langsam, Süße. Zuerst beantwortest du meine Fragen. Dein Sohn ist in Philadelphia, während du wild entschlossen bist, in die Hölle zu gehen.«
Sie nickte, ehe ihr bewusst wurde, dass er sie nicht sah. »Ja.«
»Weshalb?«
Sie schlang die Arme um ihre angewinkelten Beine und lehnte den Kopf auf die Knie. »Sanders Körper lebt in Philadelphia, aber seine Seele ist nicht bei ihm, Mac. Sie wurde von einem Dämon gestohlen.«
»Von Malachi?«
»Nein, nicht von ihm. Von einer Dämonin. Aber die wollte nicht verhandeln. Deshalb habe ich Malachi herbeigerufen und einen Handel mit ihm vereinbart. Lebensessenz im Tausch gegen seine Hilfe bei der Rettung von Sanders Seele.«
»Artemis«, sagte Mac sanft, »wenn Sanders Seele gestohlen wurde, ist er tot. Kein Leib kann ohne Seele leben.«
»Nein, das stimmt nicht. Manche Menschen können ohne Seele leben, für kurze Zeit. Und ein Junge wie Sander, der dämonische Vorfahren hat, kann Monate überleben, vielleicht sogar ein halbes Jahr.«
»Wie lange ist es her?«
»Fünf Monate«, flüsterte Artemis. »Fünf Monate, siebenundzwanzig Tage, sechs Stunden …« Obwohl ihr das Atmen schwerfiel, holte sie Luft. »Er ist in einer Art Koma. Aber das Trauma ist psychisch, nicht körperlich, und sie sorgen gut fürihn. Das letzte Mal, das ich mit dem Krankenhaus telefonierte, sagte mir die Schwester, dass er sehr friedlich aussieht, als würde er schlafen. Ich hoffe bloß … ich wünschte, ich könnte bei ihm sein.«
Mac berührte ihren Arm, worauf sie zusammenzuckte. Sie hatte gar nicht bemerkt, dass er ihr so nahe war. Als er den Arm um ihre Schultern legte, lehnte sie sich an ihn. Ihn zu fühlen war wie eine kühle Oase inmitten der stickig heißen Finsternis.
»Er würde dich gar nicht erkennen, selbst wenn du da wärst. Nicht ohne seine Seele.«
»Ich weiß.« Sie schniefte. »Aber ich möchte so gern seine Stimme hören. Könnte ich ihn doch nur hören, wie er mich Mommy nennt, nur ein Mal noch.« Nun verlor sie den Kampf gegen die Tränen. »Ich muss seine Seele wiederholen. Bald. Mir läuft die Zeit weg. Und sie wird auf der tiefsten Höllenebene festgehalten.«
»Woher weißt du, dass sie dort ist und nicht in einem der Dämonenreiche?«
»Die Dämonin, die Sanders Seele gestohlen hat, besitzt kein Totenreich außerhalb der Hölle. Sie herrscht in Ptolomaea, einem Bereich der untersten Höllenschicht. Das ist der einzige Ort jenseits des Styx, in dem unschuldige, lebende Seelen unbegrenzt überleben können. Hekate giert nach ihnen, vor allem nach Kinderseelen. Sie sammelt sie auf der Erde und sperrt sie in der Hölle ein.«
»Hekate, die alte Vettel?«, Macs Überraschung war unüberhörbar. »
Sie
hat deinem Sohn die Seele gestohlen?«
»Ja. Kennst du sie?«
»Na klar. Schottland gehört schon seit dem Schlamassel mit Macbeth zu ihren Lieblingsjagdgründen. Hauptsächlich hatsie es auf Menschen abgesehen, aber ich bin ihr im Laufe der Jahre auch schon einige Male begegnet, wenn sie sich an keltische Wesen heranwagte. Hekate ist einer der wenigen Dämonen, die sich bei ihrer menschlichen Gestalt auf ein Geschlecht beschränken. Eine üblere Kuh kann man sich kaum vorstellen. Aber wie ist sie an deinen Sohn rangekommen in den Staaten?«
Artemis schloss die Augen, was in der Dunkelheit zwar
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