Gebrauchsanweisung für den Gardasee
Strandpromenaden Bardolinos oder Lazises in Richtung Sonnenuntergang (oder umgekehrt von Porto Dusano oder Moniga del Garda nach Osten) schaut.
Kein Wunder aber auch, daß sich die genannten Orte in ihrer Struktur kaum von vielen Ferienzielen an der Adria oder an der Riviera unterscheiden: Die ufernahen Gebiete sind praktisch flächendeckend mit Hotels, Restaurants, Bars, Eisdielen, Bootsanlegern und natürlich, außerhalb der Ortszentren, mit Campingplätzen besetzt; dahinter, in oft historischen Altstädten, finden sich entlang kleiner, mehr oder weniger malerischer Gassen weitere Hotels und Lokale mit typischer Mittelmeerurlauberküche (Pizza, Würstel con crauti, Spaghetti, Schweinebraten), und dazwischen Dutzende und Aberdutzende von Läden, die mal Überflüssiges und Kitschiges, mal Schönes und Nützliches anbieten, sich aber in der Preisgestaltung stets an den locker sitzenden Geldbeuteln der Touristen orientieren. Optisch vorherrschend sind dabei, am Mittelmeer wie hier an den südlichen Ufern des Gardasees, die Fachgeschäfte für den Camping- und Wassersportbedarf mit ihrem vorwiegend knallbunten Sortiment: Luftmatratzen, Badetücher, Liegematten, Schwimmwesten, Schwimmtiere, Schwimmreifen, Badeinseln mit aufblasbaren Palmen oder Pinguinen und natürlich Gummiboote in jeder Form und Größe.
Bei dieser Gelegenheit kommen wir allerdings nicht um eine betrübliche Feststellung herum: All diese maritimen Vergnügungsartikel nicht nur zu kaufen, sondern sie auch exzessiv einzusetzen, ist am Gardasee meist längst nicht so einfach und vergnüglich wie am Mittelmeer. Die dafür nötigen großzügigen Uferflächen sind hier weitgehend Mangelware. Vor allem am nördlichen Teil des Westufers zwischen Riva und Salò drängen sich die steil abfallenden Wände der Brescianer Alpen derart dicht an den See heran, daß kaum je Platz bleibt für Badestrände, die diesen Namen tatsächlich verdienen; es grenzt schon an ein Wunder, daß am gesamten Westufer eine Straße entlangführt, die 1931 fertiggestellte Gardesana occidentale.
Wer auf ihr unterwegs ist, versteht auch heute noch ohne weiteres, wieso die Gardesana mit ihren 75 in den Fels gehauenen und gesprengten, oft kilometerlangen Tunnels und Galerien damals weltweit als Meisterwerk der Straßenbaukunst bestaunt wurde. Mit ihr (und mit ihrer Schwesterstraße am Ostufer, der schon zwei Jahre früher eröffneten Gardesana orientale) wurde der Aufschwung des Gardasees erst möglich. Bis 1872 endeten die befahrbaren Wege für Reisende, die aus dem Süden kamen, in Salò, dahinter gab es immerhin eine Verbindung bis Gargnano – aber danach war Schluß. Und von Norden her, von Riva, führte am Westufer überhaupt kein Weg weiter.
Hundertprozentig zuverlässig ist die durchgehende Verbindung aber auch bis heute nicht. Die Berge schlagen sozusagen zurück; noch in den Jahren 2001 und 2002 war die Strecke zwischen Riva und Limone monatelang aufgrund heftiger Bergstürze gesperrt. Im italienischen Eiltempo (von wegen langsame Südvölker!) und mit italienischer Perfektion sind die Gefahrenstellen mittlerweile mit massiven Galeriedächern überbaut worden. Die Experten sagen, von nun an könne auf der Gardesana occidentale nach menschlichem Ermessen nichts mehr passieren. Allerdings hatten sie genau das vor jenen Bergstürzen auch schon behauptet …
Wo Straßen und Berge überhaupt noch Raum ließen, haben sich meist Campingplätze etabliert oder Hotels angesiedelt. Letztere übrigens auch da, wo eigentlich kein Raum mehr war: Man fahrt heute auf der Uferstraße zwischen Riva und Gargnano an einem runden Dutzend abenteuerlich auf die schmale Uferkante oder gar in den See gebauter Hotels vorbei. Wer verwegen genug ist, in ihnen Quartier zu nehmen, kommt in den Genuß einer hochspektakulären Lage – und wird garantiert keine Minute Ruhe haben: Die Gardesana wird bis in den späten Abend heftig befahren, und danach, zwischen Mitternacht und sechs Uhr früh, reicht auch ein Auto (oder, noch wirkungsvoller, ein Motorrad) pro Minute völlig aus, um den Gedanken an erholsamen Schlaf zur Illusion werden zu lassen.
Wir weisen auf all das nur hin, um klarzumachen, welchen Preis die Reisenden bezahlen, falls sie jener Verlockung erliegen, mit der diese Hotels allesamt werben: mit der Aussicht auf eigene Badeplätze. Faktisch sind es vorwiegend Surfer, die sich hier einquartieren. Auf Ruhe am Strand sind sie ja nicht angewiesen. Und was die Nächte betrifft: Wo es sich wahrlich
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