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Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg

Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg

Titel: Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Rávic Strubel
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doon. Plaonwittschafft het sien Tied, un Marktwittschafft het sien Tied. Lüü in’t Gefängnis brengn un Lüü ruutlaotn, an d’ Kandarr nähm un up d’ Koppel loopn laotn.«
    Zu DDR-Zeiten war dieser Flughafen Dreh- und Angelpunkt der vorgegaukelten Weltoffenheit eines Staates, der seinen Luftfahrtangestellten nicht gestattete, Verwandte in westlichen Wirtschaftsgebieten zu haben. Nach der Wende wurde er zu einem Provisorium für Billigflieger in Orange, Lila und Gelb. Ab Juni 2012 ist er der modernste Flughafen Deutschlands, angelegt auf siebenundzwanzig Millionen Passagiere, ausbaufähig für eine Auslastung von bis zu fünfundvierzig Millionen Passagiere. Der Flughafen »Willy Brandt« ist ein sogenannter Midfield-Airport. Zwei parallel angelegte Startbahnen, zwischen denen sich der Terminal befindet, können unabhängig voneinander bedient werden. Seit Baubeginn im September 2006 gibt es wegen dieser Startbahnen erhitzte Debatten. Man streitet darüber, in welchen Zeitabständen und zu welcher Uhrzeit die Startbahnen benutzt werden dürfen, wie niedrig und in welchen Kurven die Flugzeuge übers Land fliegen sollen. Das Raumordnungsverfahren hatte bereits Jahre zuvor festgestellt, dass Schönefeld der ungünstigste Standort für ein internationales Drehkreuz wäre. Sperenberg war als die bessere Alternative ins Spiel gebracht worden. Aber dann hatte es einen dieser beschwingten politischen Beschlüsse gegeben, bei dem die Brandenburger nicht befragt worden waren, weshalb sie ihn nicht hatten verhindern können, und jetzt liegen der südöstliche Speckgürtel, Teile Berlins und halb Brandenburg in der Fluglärmzone. Von Groß Ziethen bis Caputh, von Blankenfelde-Mahlow bis Eichwalde hörten die Menschen schon vor Inbetriebnahme der Startbahnen ihre Fensterscheiben klirren, sahen Kerosinflecken auf ihren Seen, befürchteten nicht ohne Grund, dass künftig ihr sonntäglicher Mittagsschlaf auf der Hollywoodschaukel von kreischenden Turbinen zersägt würde. Es fanden Demonstrationen statt. Bürgerinitiativen gründeten sich. Hausbesitzer zogen gegen Land, Bund und Flughafenbetreiber vor Gericht. Viele der Frustrierten waren gerade erst von der lärmenden Großstadt ins Grüne gezogen.
    Schlussfolgerung: Berliner und Brandenburger sind sich manchmal sehr ähnlich. Manchmal wollen sie tatsächlich dasselbe.
    1 Kleine lexikalische Hilfestellung: Mit mao ist hier nicht der kommunistische Führer gemeint, und lao ist keine buddhistische Zauberformel. Beides lässt sich einfach als »a« lesen, also: maokn = machen/laotn = lassen/Plaon = Plan
    Scheetn = schießen, und: Scheetiesern = Schießeisen
    Zitiert aus: Andacht öwer Prediger 3 to »Plattdüütsch in de Kirch Berlin-Brannborch« Groodn Bress, 9.11.1992, Gottfried Winter. Gekürzt aus: Ünnerwäägns to de Minschn, Kontinuum, Müggendorf 1995

Bebauter Raum
    Ein Volk, das ohne Sehnsucht lebt./ So standen sie mit toten Augen,/und fühlten nicht den Frühling rings./ Und mählich kam der Abend/In diese fremde Stadt.
    (Georg Heym, Schüler am Friedrich-Wilhelm-Gymnasium in Neuruppin, bevor er 1912 bei dem Versuch, einen Freund zu retten, in der eisigen Havel ertrank)
    Wer vom historischen Überfluss in der Landeshauptstadt genug hat, findet leicht Ernüchterung. Er muss nur ein wenig ins Land hineinfahren, am besten in die
Industriestädte
    Schwedt an der Oder ist eine helle, geräumige Stadt. Sie grenzt an die hügeligen Auen des Unteren Odertals. In der Ferne strahlen die Wiesen in blauschattiger Tiefe auf. Der Himmel spannt sich weit über den Polderbrücken nach Polen. Paddler und Jachten treiben auf der Hohensaaten-Friedrichsthaler Wasserstraße stromabwärts. Jenseits des Nationalparks, mitten in der Oder, verläuft die deutsch-polnische Grenze. Schwedt ist eine Grenzstadt. Das öffnet die Menschen, das löst Fernweh aus, das ist vielleicht auch für die ungewohnte Freundlichkeit der Kassiererin im Supermarkt verantwortlich. Ortsfremde sind hier keine Seltenheit. Während Autos mit deutschen Kennzeichen nach Polen zum Tanken fahren, bringen Autos mit polnischen Kennzeichen die Insassen zum Arbeiten nach Deutschland über die Grenze. Die Autos auf dem Parkplatz vor den Uckermärkischen Bühnen tragen beiderlei Kennzeichen. Das Schwedter Theater hat sich nach der Wende wieder einen Namen gemacht. Man besann sich auf die Tradition: In der Orangerie des Schwedter Schlosses richtete vor etwa zweihunderfünfzig Jahren Friedrich Heinrich Prinz von Preußen eines der

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