Gebrauchsanweisung für Schwaben
wird prompt nachziehen – mit dem architektonisch extravaganten Porsche-Museum, das vor der Sportwagenschmiede thront wie ein eben gelandetes Ufo. Das alles ist nicht in einem Tag zu schaffen, von dem Musicaltempel droben in Möhringen, vom innovativen Theaterhaus an der Pragkreuzung, von der Liederhalle, dem Literaturhaus am Boschareal und dem Hegelhaus gar nicht erst zu reden.
»You need three days to know Stuttgart«, erklärte einst ein Neu-Stuttgarter stolz seinen angelsächsischen Gästen. Aha, staunte drauf ein Schwabe, »drei Täg? Ich wohne jetzt 60 Jahren hier und bin immer noch net durch.« Allerdings sucht der Stuttgarter die Schönheiten und Besonderheiten seiner Stadt selten »einfach so« auf. Er geht lieber gezielt und in Begleitung hin: auf den Fernsehturm »mit dem Onkel aus Amerika«; in den zoologisch-botanischen Garten der Wilhelma »den Kindern zulieb«; ins Löwentormuseum samt seinen Sauriern »mit Bekannten von auswärts«; ins Theater, »damit mei Frau au was vom Leben hat«, in das Sternerestaurant »mit Geschäftsfreunden.« Alles mit Maß – aber auch mit Ziel.
Wo man größere Ansammlungen schwäbischer Aborigines treffe, wollen manche Gäste wissen. Schwierige Frage. Sehen wir einmal vom Katharinen-Hospital, dem größten Krankenhaus der Stadt ab, und auch vom Tag der offenen Tür im Kunstmuseum (Gratis! Günschtig!), dann vielleicht im Mundarttheater Komede-Scheuer in der Mäulesmühle im Siebenmühlental, knapp außerhalb der Stadtgrenze. Beide, das Haus und das Tal, gibt es wirklich. In der zum Theater umgebauten Mühle sitzen allabendlich Schwaben Hintern an Hintern auf harten Bänken und horchen bei Leberkäs und Kartoffelsalat zu, wie zwei Schwaben schwäbisch schwätzen – Hannes, der liedrige, schlitzohrige Amtsbote und der cholerische »Bürgermeischter«. Richtig derb geht es da zu, sauglatt. Da verklemmt nix. Touristen findet man hier kaum. Erstens, weil sie kein Wort verstehen würden. Und zweitens, weil die Eintrittskarten an einem einzigen Herbsttag für das ganze nächste Jahr verkauft werden, restlos. Man ist unter sich. Allenfalls ist auch Ministerpräsident Günther Oettinger zu Gast und singt laut, von sich selbst eigenhändig am Klavier begleitet, »Bergkameraden sind wir«. Ebenfalls ziemlich sauglatt, was übersetzt »sehr lustig« bedeutet.
Am liebsten sucht der eingeborene Stuttgarter, der ja meist ein Möhringer, ein Weilimdorfer oder ein Hedelfinger ist, die stilleren Winkel seiner Stadt auf: den Schillerplatz zwischen Stiftskirche und Altem Schloß, wenn die Gärtner unter dem demütig dreinblickenden Dichterfürsten Blumenmarkt halten. Ja, da hört man noch die alten Laute und Sprüche. Dann die Markthalle, wo eine riesige Auswahl an heimischen und exotischen Viktualien vermuten läßt, die Vertreibung aus dem Paradies habe doch nicht stattgefunden. Dazu die Calwer Straße samt ihrer Passage, wo man sich für alte Bücher oder junge italienische Weine entscheiden kann – oder für beides. Und natürlich den Killesbergpark. Hier speit nicht mehr ein Drache namens Tazzelwurm Feuer, hier dampft das gleichnamige Kleinbähnle, und die Besucher schwitzen, wenn sie den spiralförmigen Aussichtsturm des Architekten Jörg Schlaich erklimmen. Nicht zu vergessen die Gärten am Schloß Hohenheim. Klar, viele Bürger besitzen ihr eigenes Gärtle oder Stückle. Aber der Ehrgeiz gebietet es, nachzusehen, ob die Dahlien bunter, die Kürbisse größer gedeihen, wenn sie von den Gärtnern des öffentlichen Dienstes gedüngt werden.
Jetzt hätten wir, vor lauter Grünzeug, fast die Mineralbäder von Bad Cannstatt vergessen, jenem Stadtbezirk, in dem der Weinbau und starke Quellschüttungen (die stärksten nach Budapest, bitte!) für ein belebendes Schorle sorgen. In den Wasserbecken ziehen ehrwürdige Damen und Herrschaften frühmorgens ihre Runden – je nach Glaubensrichtung im »Leuze«, im »Berg« oder im Cannstatter Mineralbad. Sie sind erst glücklich, wenn ihnen das prickelnde Wasser Oberkante Unterlippe steht: ein guter Grund, den Mund zu halten und höchstens einmal philosophisch zu prusten. Hier schwimmen noch Neunzigjährige wie heurige Frösche durch die Fluten, und junge Herren, die sich über die kribbelnde Wirkung des »Sackgrills« beschweren, werden ausgelacht: »Des fördert die Potenz.« Und die Bildung. Wie hatte einst Oberbürgermeister Rommel gesagt, als es um kulturelle Defizite ging? »Mei Leuze isch au Kultur.« Basta.
Schließlich treffen
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