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Gebrauchsanweisung für Schwaben

Gebrauchsanweisung für Schwaben

Titel: Gebrauchsanweisung für Schwaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anton Hunger
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Als er 1861 in Antwerpen eine Wurst aß, fiel ihm der wesentliche Unterschied auf: »Es fehlte ihr die schlichte Treuherzigkeit, die man am Neckar auch in einer Knackwurst findet.«
Schwäbisch lustig
    Viele solch kritischer Situationen meistert der Schwabe mit seinem sehr speziellen Humor. Der ist wie der traditionelle Neuffener Täleswein: ein Eigengewächs, immer ziemlich trocken, manchmal arg räs. Ein Franzose fällt in den Neckar, droht zu ersaufen und schreit: »Au secour! Au secour!« Der Tübinger auf der Brücke ruft dem um Hilfe flehenden mitleidig zu: »Hättesch du lieber Schwemma g’lernt denn als Französisch.«
    Lacht da jemand? Natürlich nicht, wozu hat einem der liebe Gott ein Pokergesicht geschenkt? Auswärtige Humoristen sind immer wieder fasziniert von der fast übermenschlichen Fähigkeit des Schwaben, eine noch so brillante Pointe stoisch auszusitzen.
    Robert Gernhardt, der jüngst verstorbene Frankfurter Satiriker und Dichter, hat das als Kontrast zum stets lachbereiten Kölner so formuliert: »In Stuttgart schweigen die Menschen, das ist fast unheimlich. Aber hinterher kaufen sie Bücher. Als wollten sie zu Hause nachlachen.« Im Keller wahrscheinlich. Aber das kann eigentlich nicht sein, denn da liegt der technisch perfekt ausgestattete Hobbyraum. Dort wird geschafft, nicht gealbert.
    Ein unerschöpflicher Brunnquell der Freude ist für den Einheimischen auch stets die Faschingszeit. Das gilt vor allem für die katholischen Hochburgen der schwäbisch-alemannischen Fasnet, wo die Hansele und die Schwellköpfe gerade so wild herumtanzen, wie es der Narren-Tüv erlaubt. Motto: »Narren müssen sauber bleiben«. Und noch viel mehr beim Stuttgarter Gaudiwurm, bei dem der Zuschauer, der laut »Narro« ruft, Gefahr läuft, wegen Ruhestörung abgeführt zu werden. Der Schwabe guckt zu und macht sich seine Gedanken. Zum Beispiel über die Büttenrede des Stuttgarter Oberbürgermeisters Wolfgang Schuster, diesem Meister rhetorischen Understatements, der folgendes Geständnis ablegte: »Find im Narrensein höchstes Glück – drum ging ich in die Politik.« Tätä, Tätä, Tätä.
    Früher gab es im Südwesten Politiker, die sprachliche Geistesblitze zucken ließen. Reinhold Maier etwa, Ministerpräsident in den 50er Jahren, erteilte allzu markigen liberalen Parteifreunden den Rat: »O glaubet no net alles, was ihr saget.« Auch sein Parteifreund, der starke Raucher Theodor Heuss, war ein schlagfertiger Mann. Als ihn ein Besucher des Bundespräsidialamtes darauf hinwies, daß Zigarrenasche auf seine Weste gefallen sei, beschied ihn der Präsident kurz: »Des isch die g’wöhnt.« Heute aber fällt der amtierende Ministerpräsident Günther Oettinger höchstens auf, wenn er einen Freund vor versammelter Geburtstagsgesellschaft samt Damen einen »württembergischen Meister im Seitensprung« nennt. Dies auch nur deshalb, weil er die Pointe schon einmal, bei einem anderen Herrn, verschossen hatte.
    Deshalb gibt es ernsthafte Schwaben, die sagen: »Man könnte gerade meinen, älle rechte Leut seien gestorben – ond unter de Lebige gäb’s koine G’scheite meh.« Das gilt nicht nur für Politiker, sondern auch für Firmenchefs, Intendanten und Feinkosthändler.
    Zugegeben, dieser bunte Strauß an Eigenheiten mag auf einen jovialen Rheinländer einen eher grimmigen, eigenbrötlerischen Eindruck machen. Aber das ist eben das keltische Erbgut – ein gewisser gutnachbarlicher Ausgleich zu den lebensfrohen Badenern und den bräsig-krachledernen Bayern. Um so mehr strahlt unser Landsmann, wenn er ausnahmsweise und wider Erwarten positiv überrascht wird: durch eine Gehaltserhöhung (bei schwäbischen Chefs unwahrscheinlich), durch ein Lob des Vorgesetzten (dito) oder durch ein Küßle seiner Gemahlin oder Gefährtin (nicht ausgeschlossen). Dann kann er richtig nett werden, gemütlich und leutselig. Ja sogar gesprächig und großzügig. Dann streift er sein skrupulöses, in sich gekehrtes Wesen ab und gibt sogar eine Runde aus. Dafür geniert er sich am nächsten Morgen ein bißchen: »Sapperlott, i glaub, i werd’ leichtsinnig.« Damit meint er verschwenderisch, und das wäre eine Sünde.
Schätzla und Hyänen
    Fehlt nur noch eins zum Glück: die Schwäbin. Und die ist auch bitter nötig. Denn sie muß mit ihrer ausgleichenden, charmanten, nach außen zurückhaltenden, am Eßtisch und im Ehebett aber bestimmenden Art all die Beulen ausbügeln, die ihr Schwabenfrieder sich und anderen zugefügt hat.
    Mag

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