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Gebrauchsanweisung für Schwaben

Gebrauchsanweisung für Schwaben

Titel: Gebrauchsanweisung für Schwaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anton Hunger
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alemannischen Lande. So kommt es, daß bis heute eine zwar nicht sichtbare, wohl aber noch immer hörbare Sprachgrenze zwischen Schwarzwald und Ostalb, zwischen Hornisgrinde, Hessigheimer Felsengärten und dem Hohenberg bei Ellwangen die Schwaben von den Franken scheidet. Hier sagt man zu jungen Damen Mädle, dort Madlich, hier heißt der Geist Goischd, dort Gaaschd.
    Man erkennt deutlich: Den lupen-, gar rassereinen Schwaben hat es nie gegeben. Er war, von ein paar auf Inzucht spezialisierten Dörfern auf der Schwäbischen Alb und im Heckenbeerlesgäu einmal abgesehen, immer eine bunte Mischung aus keltischen, romanischen und germanischen Genen – zumindest bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. Danach kamen die Heimatvertriebenen unfreiwillig, aber scharenweise ins Land; ihnen folgten später die Gastarbeiter aus dem Süden Europas, die »Reingeschmeckten« aus dem wirtschaftlich nicht ganz so blühenden deutschen Norden, die Aussiedler, manchmal tatsächlich Urenkel der Donau- und Wolgaschwaben, aus dem Osten – und schließlich die Freunde aus den neuen Bundesländern, die die Region mit ihrem sächselnden Originalton beschallen.
    Angesichts eines solchen Völkergemischs mit durchgängigem Migrationshintergrund stellen sich dem Leser zwei grundlegende Fragen. Erstens: Wenn das alles so ist, was ist dann heute ein Schwabe? Und zweitens: Wo liegt dessen Schwabenland?
Alle gleich verdruckt?
    Beginnen wir damit, ein weitverbreitetes Mißverständnis auszuräumen: Das Schwabenland ist keineswegs deckungsgleich mit dem Bundesland Baden-Württemberg – dagegen würden sich die badischen Karlsruher und Freiburger, die kurpfälzischen Mannheimer und Heidelberger samt den fränkischen Heilbronnern und Hohenlohern mit Händen und Füßen wehren. Schlimmer noch: Schwaben fällt nur teilweise mit dem Territorium des ehemaligen Landes Württemberg zusammen. Ja, früher! Damals, so ums Jahr 1000 nach Christi, reichte das Herzogtum Schwaben vom Gotthardpaß bis nach Nördlingen, von Weißenburg im Elsaß bis zum Corner See. Heute aber besteht die schwäbische Heimat, grob gesagt, aus dem alten Kernland der Staufer, später der Württemberger Grafen am mittleren Neckar, zwischen Tübingen und Schorndorf, zwischen Freudenstadt und Backnang. Dazu kommt das einst teils vorderösterreichische, teils klösterliche, teils grafschaftliche, jedenfalls aber kernig schwäbisch sprechende Oberland bis zum Schwarzen Grat bei Isny – und der bayerische Regierungsbezirk Schwaben von Neu-Ulm bis Augsburg. Beweis: Früher gab es einen ruhmreichen Fußballclub namens Schwaben Augsburg. Und als die Stadt der Fugger und Welser vor einiger Zeit ihren 2000. Geburtstag feierte, riefen besorgte Augsburger bei der »Stuttgarter Zeitung« an und baten darum, den Jubeltag auch im Württembergischen zu würdigen. Das dürfe man nicht den imperialen Münchnern überlassen.
    Damit nähern wir uns dem Schwaben selbst, diesem unbekannten Wesen. Ein bayerischer Suebe, der frühere Bundesfinanzminister Theo Waigel, hat dazu eine ebenso infame wie lustige Definition beigetragen: »Es liegen sieben Schwaben aufeinander. Was unterscheidet den untersten vom obersten?« Antwort: »Nichts, alle sind gleich verdruckt.«
    Nun bedeutet »verdruckt« nicht nur »plattgedrückt« wie eine überfahrene Pfautzkrott, sondern auch verschlossen. Gut, es gibt Schwaben, die herumdrucksen, nicht herauswollen mit der Sprache, hehlingen, also heimlich gescheit sind – und das sogar schon vor ihrem 40. Geburtstag. Aber die sollen auch bei anderen deutschen Stämmen vorkommen. Also muß es ein anderes Erkennungsmerkmal geben.
    Ja, das gibt es: Es ist, erstens, die Sprache. Als Schwabe darf sich bezeichnen, wer schwäbisch spricht. Doch weil das inzwischen auch Luigi, Manolo und Aishe können, kommt ein Zweites dazu: Von sich als Schwabe reden darf, wer schwäbisch denkt und versteht, ob es nun das Stuttgarter Hoch- oder das älblerische Rustikalschwäbisch ist. Er oder sie müssen ein Ohr haben für die feinen Zwischentöne dieser Sprache, vom groben »Leck-me-em-Arsch« bis zum romantischen »Jetzt gang i ans Brünnele«. Dazu eine feine Zunge, um mit verbundenen Augen einen Trollinger von einem Lemberger unterscheiden zu können. Er sollte einmal an Königs Geburtstag die Nationalhymne »Preisend mit viel schönen Reden« gesungen haben. Oder ersatzweise »Auf de schwäb’sche Eisebahne«. Und schon einmal heimlich eine Träne verdrückt haben, wenn Ludwig Uhlands »Ich hatt’

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