Gebrauchsanweisung für Schwaben
der schwäbische Mann noch so oft behaupten, er habe die Hosen an – zu Hause lebt er in einer milden Form des Matriarchats. Das war schon bei den Ureinwohnern in den Albhöhlen so, wo die erwähnte alte Parre Wunden heilte und Entscheidungen traf. Auch die berühmten Weiber von Schorndorf unter der Führung der Bürgermeisterfrau Anna Barbara Künkelin haben eindrucksvoll gezeigt, wie Frauen ihren Mann stehen, wenn die Herren der Schöpfung schwächeln. Mit Mistgabeln und Besenstielen bewaffnet belagerten die Damen 1688 das Rathaus, um ihren verzagten Männern droben im Ratssaal klarzumachen: »Mit uns keine Kapitulation vor den Franzosen!« Das wirkte, auf Freund und Feind übrigens.
Dabei entsprachen die allermeisten schwäbischen Mädle gar nicht dem Bild jener keifenden Marktweiber, deren eine der anderen im Streit einen Roßbollen, einen Pferdeapfel, ins Maul gestopft hatte, worauf jene hinter dem Hindernis hervorkeifte: »Der bleibt drin, bis d’Bolizei kommt!« Nein, längst nicht alle Schwäbinnen hatten und haben die Neigung, im Schillerschen Sinne »zu Hyänen« zu werden. Im Gegenteil, selbst einer der härtesten Schwabenkritiker, ein norddeutscher Anonymus, lobte die »oftmals sehr zierlichen und wohlgestalteten Mägde« im Land und gestand den Mädchen »ein weit heißeres Blut zu« als den Damen »unserer Küstenregion«. Die Schwäbin bilde durch ihre »angeborene Glut« den Übergang zu »den leidenschaftlichen Italienerinnen«. In der Tat, manches Mädchen vom Lande sieht noch heute so aus, als ob sich in ihrer Ahnenreihe ein schwarzhaariger römischer Legionär befunden hätte – eine Tradition, um deren Wiederbelebung sich die italienischen Kaffeesieder und Pizzabäcker seit einem halben Jahrhundert erfolgreich bemühen.
Der Schwabe sucht bei seinem Schätzle, seinem Mäusle, seinem Moggele und Doggele nicht nur Leidenschaft, sondern vor allem Ordnungssinn und Fürsorge. Schon in Sebastian Sailers »Schöpfung der ersten Menschen« formuliert die resolute Eva eine Art Aufgabenteilung, die wir hier, der Verständlichkeit halber, in gemäßigtes Hochdeutsch übersetzen: »Geht der Mann auf den Acker hinaus, kann er dort Meister sein; daheim aber und im Haus, gehört die Meisterschaft noch mir. Ordnen, schaffen und befehlen steht der Frau zu, und in diesen Aufgaben besteht ihr ganzer Lohn.« Fazit der Urmutter: »Ond dees will i hau!« So will sie es, so bekommt sie es. Und so halten es viele Evastöchter, wenn man Friedrich Christian Daniel Schubarts mehr als 200 Jahre altem Bekenntnis eines Mädchens glauben darf, das nichts von Gezier und Bücherstudium hielt: »Mir fehlt zwar diese Gabe, / fein bin ich nicht und schlau, / doch kriegt ein braver Schwabe, / an mir ne brave Frau.«
Noch nach dem Zweiten Weltkrieg war folgende Charakteristik zu lesen: »Die Schwäbin ist keine komplizierte Frau mit Launen, wechselnden Temperamenten, mit der Neigung, sich interessant zu machen und sich entsetzlich wichtig zu nehmen.« Sie sei weder Blaustrumpf noch Mannweib, weder Vamp noch kapriziöse Geliebte, und es fehle ihr, wie ihrem Herrn Gemahl, eine Portion Weltgewandtheit. Die Frage bleibt: Warum haben dann so viele US-Boys, die nach 1945 ein halbes Jahrhundert lang rund um Stuttgart stationiert waren, so viele Schwäbinnen ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten entführt? Vielleicht kannten sie die alte Empfehlung: »Drum, kömmt dir mal das Freien ein, so laß’s ein Schwabenmädchen sein.«
Das auch deshalb, weil die hiesigen Evastöchter eine gute Mischung aus Anstand und Pragmatismus pflegen. So wie jene Mutter, die ihre Tochter fragte, wie sie spätabends nach Hause gekommen sei. »Gut«, sagte die Tochter, »wenn der Kerle bloß seine Händ am Steuer g’laßa hätt.« Worauf die Mutter meinte: »Na, ’s Taxi wär au net umsonst gewesa.«
Heute aber bemühen sich die hiesigen Mädchen, in puncto Mode, Lifestyle und Zeitgeschmack den von Hamburg bis Honolulu gültigen Trends zu entsprechen. Aufgeklärt sind sie, dank der modernen Lehrpläne, schon früh. Damit geraten sie nicht mehr in jene Bredouille, in die einst die Kathrin kam, als sie von ihrer Mutter gefragt wurde, ob sie der Galan vom letzten Abend auch gehörig »äschtimiert«, also wertgeschätzt habe. »Ond wia«, sagte die junge Dame mit glänzenden Augen, »dreimal hinteranander.«
Das war einmal. Heute herrscht im Neckarland Gleichberechtigung – und die schwäbischen Damen übertragen ihre häusliche Führungskraft
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