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Gebrauchsanweisung für Schwaben

Gebrauchsanweisung für Schwaben

Titel: Gebrauchsanweisung für Schwaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anton Hunger
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mehr Ulm-Wiblingen. Oder Reutlingen, aber nicht mehr in Reutlingen-Sondelfingen.
    Der Stadtschwabe hat, weil auch am Neckar das Sein das Bewußtsein bestimmt, das Bauernwams schon vor 300 Jahren ausgezogen. Er futtert Tapas und Safran-Risotto, fährt – früher undenkbar – einen bayerischen BMW, sitzt heute im Ballett, morgen in der Schicki-Bar, liest Michel Houellebecq, liebt Tango und Salsa und trinkt im Chillout-Heaven Latte macchiato und Caipirinha. Er ist so austauschbar wie die Fußgängerzonen deutscher Metropolen. Kinder, die mit dem Kinderkanal und der »Sendung mit der Maus« aufwachsen, lernen schon im Kindergarten, korrekt Schaiße zu sagen, statt Scheijsele. Wenn sie nicht gleich auf Kacke, Pampe oder Shit ausweichen.
    Draußen aber, in den Dörfern und Kleinstädten, in ehrwürdigen Fachwerkbauten und uniformen Reihen-Eckhäusern, verstecken sich noch ein paar Original-Schwaben. Dort, wo es in der Wirtschaft noch einen kernigen Wirt und einen Stammtisch gibt. Dort, wo die Leute noch nicht bloß Maier oder Müller heißen, sondern Zwetschgen-Karle, Bobbes oder d’ Schlitzäugles-Sofie, auch d’Kineese genannt. Dort, wo die Diarrhöe unter »Schnellkätter« läuft und der Kleintierzüchter unter »Hennavögler«. Die Chance, solche Oasen zu finden, steigt mit zunehmender Entfernung zum Stuttgarter Schloßplatz.
B’häb und bruddelig
    Wer solchen Schwaben begegnet, ob auf dem Rathaus oder in der Autowerkstatt, ob auf dem Acker oder bei Aldi, lernt Paradoxes. Zum Beispiel, daß Klischee und Wirklichkeit zuweilen übereinstimmen. Diese Landsleute sind tatsächlich manchmal b’häb, bruddelig, grob. Aber auch knitz, wißbegierig, freundlich. Und mit einem ganz eigenen Humor ausgestattet.
    B’häb? Das hat beileibe nichts mit behäbig zu tun, also mit satt-gemütlich, sondern mit knauserig und engherzig. Nicht Raffke, iwo, sondern Entenklemmer. Das waren jene Leute, die den Hintern ihres Federviehs mit einem Klemmgriff kontrollierten, damit ein im Rohr steckendes Ei nicht in Nachbars Garten lande. Diese Vorsicht aus Zeiten, in denen Vogelgrippe ein Fremdwort war, entsprang keinem charakterlichen Defekt, sondern einem harten irdischen Los. So lange sich die Schwaben nämlich von der Landwirtschaft ernähren mußten, war Schmalhans Küchenmeister. Viele Leute waren so arm, daß sie nicht nur den Pfennig, sondern auch den faulen Apfel dreimal umdrehen mußten. Noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts herrschte auf der rauhen Alb Hungersnot – vorne Weh und hinten Ach. Deshalb suchten die vielen Auswanderer in Rußland, Amerika oder Brasilien weniger die goldene Freiheit, sondern fruchtbare Felder und gutgefüllte Teller.
    Die langen Notjahrhunderte haben die Lehre vom »Des duads no lang« und »Mr läßt nix verkomme« in die Bauernschädel eingehämmert. Dort sitzt sie noch heute. Man »hält sein Gerstle« zusammen, wirft nix weg, weder ein trockenes Brot noch einen verschlissenen Pullover noch ein altes Radio. Man weiß nie, wozu das noch gut ist. So wie jener nur einmal benützte Zahnstocher, den der Schwabe im Lokal wieder ins Büchsle zurücklegte: »Der duad’s nomai.« Gut, manchmal tut er des Guten zuviel, zum Beispiel, wenn er seinem Sohn als Weihnachtsgeschenk großzügig »a Schleifez vors Haus soicht«, also pinkelt. Immerhin: Wer hat in Zeiten der Klimaerwärmung noch eine eigene Eisbahn? Also kein »Mir san mir«, sondern lieber »Alles mei«, was soviel heißt wie »Das gehört alles mir«. Dann herrscht Seelenfrieden. So wie bei jenem Mann, der eine Buchhandlung betrat, um seiner Frau ein Geschenk zu kaufen: »Mörikes Gesammelte Werke, bitte.« Fragte der Buchhändler: »Welche Ausgabe …« Antwortete der Mann: »Da haben Sie auch wieder recht!« und verließ den Laden. Schon wieder viel Geld gespart.
    Böse Menschen behaupten ja, sie wüßten, wie der amerikanische Grand Canyon entstanden sei: Ein Schwabe habe dort nach einem verlorenen Groschen geschürft. Und es wird berichtet, wie der Schwabe es angeblich mit den Präsenten für seine Mitmenschen hält: »Lieber zehn Minute gschämt als a groß’ Gschenk gmacht.« Selbst Eduard Mörike hat an diesem Ruf mitgedichtet: »Sparsamkeit ist eine Tugend, / während Geiz ein Laster ist. / Ach, daß unsre heut’ge Jugend, / dieses gar zu leicht vergißt. / Liebes Kind, ich bitt dich drum, / eh du einen Kreuzer ausgibst, / dreh ihn zweimal – einen Groschen / sechsmal in der Hand herum!« Genau so, behaupten die Spötter, sei der

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