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Gebrauchsanweisung für Schwaben

Gebrauchsanweisung für Schwaben

Titel: Gebrauchsanweisung für Schwaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anton Hunger
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die Ursach seines Todes war. / Er war der Trunkenheit ergeben, / der Spötterei und Händelsucht, / so ward von seinem bösen Leben / sein früher Tod die böse Frucht.« Und das war’s nicht etwa. So geht das volle 24 Liedverse weiter.
     
    Berühmt wurde auch der Liebhaberdichter Christian Späth, »weiland Ochsenmetzger zu Tübingen«. Seine Gedichte hat er, nach eigenem Bekenntnis, im 19. Jahrhundert, »neben Feldarbeit, Handel und Gewerbe, ohne Papier und Buch auf freien Fluren in der Natur gemacht«. Oder dann, wenn er von Lustnau in die Universitätsstadt hineinfuhr, »den gestirnten Himmel über mir, das moralische Gesetz in mir ond meine Säu hinter mir«. Sein bekanntester Vers hat sogar einem Buch den Titel gegeben: »Der Mond braust durch das Neckartal, / die Wolken sehen aus wie Stahl, / und in den Straßen sieht man nix / als nur die Tücke des Geschicks.«
    Richtige, ernsthafte Schriftsteller und Dichter gab und gibt es auch in neuerer Zeit. Erwähnt seien nur Peter Härtling – in Chemnitz geboren, auf Umwegen nach Nürtingen gekommen, wo er die Schule besuchte und bei der Lokalzeitung ein Volontariat absolvierte. Seine Romane über Friedrich Hölderlin und Franz Schubert, über E. T. A. Hoffmann und Robert Schumann, haben hohe Auflagen erzielt. Hierher gehört auch Martin Walser, weil er vom Schwäbischen Meer, dem Bodensee, stammt und dort lebt. Und weil für ihn in Stuttgart alles angefangen hat, bei dem »Genietrupp« des damaligen Süddeutschen Rundfunks, wo in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts auch Alfred Andersch, Hans Magnus Enzensberger und Helmut Heißenbüttel Radio machten. Seine »Ehen in Philippsburg« und die »Halbzeit«-Trilogie um Anselm Kristlein haben ihm den immergrünen Lorbeerkranz beschert, lange vor seiner mißverstandenen Friedenspreis-Rede in Frankfurt.
    Sollen wir weitermachen? Von Christian Wagner reden, dem Warmbronner Bauernpoeten? Von dem Dichter Hermann Lenz erzählen, von Albrecht Goes, dem Pfarrer und Schriftsteller? Von Sebastian Blau, dem personifizierten Rottenburger? Von Thaddäus Troll, dem humorvollen Mundart- und Theaterautor, der manchmal an seiner kleinkarierten Umwelt verzweifelte?
    Nein, nein, diese Vielfalt von Schreib- und Dichtlust hält nur der Schwabe aus. Wie gut, daß es Marbach gibt. Dort, auf einer Anhöhe über dem Neckar, liegt die literarische Dreifaltigkeit des Schiller-Nationalmuseums, des Deutschen Literaturarchivs und des neuen Literaturmuseums der Moderne, »Limo« abgekürzt. Da kann man als Bürger oder als Wissenschaftler Akten, Dokumente, Quellen, Manu- oder Typoskripte studieren, ob von Kafka, Döblin, Benn oder Heidegger. Und der Fluß fließt darunter vorbei und plätschert den einen oder anderen Vers vor sich hin. Zum Beispiel den, den ihm Friedrich Hölderlin gewidmet hat: »In deinen Tälern wachte mein Herz mir auf / zum Leben, deine Wellen umspielten mich, / und all der holden Hügel, die dich / Wanderer! kennen, ist keiner fremd mir.« Das sind Form und Sprache von unserem Hölderlin, dem großen Geist, der sich auf Adlerschwingen ins elysische Licht erhob und in seinem Tübinger Turm in geistiger Umnachtung endete.
    Aber halt! Wie war das? Von »unserem Hölderlin«? Vorsicht, Thaddäus Troll hat das einmal als »anmaßende Unechtheit« bezeichnet, »die sich mit fremden Federn schmückt«. Das seien billige »Identifikationen, die nur den Wert von Selbstaufwertung und Selbsttäuschung haben«. Und weil er schon einmal am Schimpfen war, beklagte er gleich noch, daß die schwäbische Sprache nur den »Heimatblödlern und Gaudemachern« überlassen werde. So ist der Schwabe nun einmal. Er verehrt seine Geistesheroen, aber den anderen gönnt er sie nicht so gern.
Schwaben, wie es singt und baut
    Ehe es jetzt aber so aussieht, als könne der schwäbische Genius entweder dichten oder gar nichts, sei noch auf andere feingeistige Disziplinen hingewiesen. Zum Beispiel auf die renommierte Stuttgarter Oper, die auf den Titel »die beste Deutschlands« abonniert zu sein scheint. Zum Beispiel auf das berühmte Stuttgarter Ballett. Sein einstiger Chef, der gebürtige Südafrikaner John Cranko, wäre bestimmt längst zum Stuttgarter Ehrenbürger ernannt worden, hätte er sein Leben nicht im Alter von erst 46 Jahren in einem Flugzeug auf dem Rückflug von einer Tournee in den USA ausgehaucht. Es sei des weiteren auch auf das Theater mit seinen experimentierfreudigen Bühnen hingewiesen, ob staatlich subventioniertes

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